Vermisst: Thriller (German Edition)
einmal dem Platz mit den ganzen Leuten zu nähern. Sollte er doch zum Teufel gehen!
In einer Seitenstraße entdeckte ich ein Café und suchte mir einen Ecktisch. Als wir glücklich saßen, ließ ich mir von Georgie ihr Handy geben, schaltete es aus und nahm den Akku heraus.
»Was machst du da?«
»Die Frau, die hinter uns her war, hat dich vermutlich über dein Handy geortet.«
»Oh.« Sie biss sich auf die Lippen.
»Zeig mir mal deinen Rucksack.«
Ich nahm alles heraus und überprüfte es. In einer Seitentasche steckte zwischen Kaugummis und Bleistiftstummeln eine knopfgroße Wanze, die ich mit meinem Stuhlbein zerquetschte.
Georgie war so angespannt, dass ich anfing, die Salz- und Kaffeeflecken von der Tischplatte zu wischen, nur um etwas völlig Normales zu tun. Das Licht, das durch das große Fenster zur Straße fiel, erhellte die eine Seite ihres Gesichts.
»Hast du Lust auf heiße Schokolade?«, fragte ich.
Sie nickte. So zwischen Licht und Schatten wirkte ihr Gesicht älter und ließ die Schönheit ahnen, die sie einmal werden würde, sobald sie die Schlaksigkeit ihrer Jugend hinter sich ließ. Ich sah Jax in der samtigen Haut und dem tiefen Braun der katzenhaften Augen.
Die Tür flog auf, und PJ erschien mit von der Kälte geröteten Wangen.
»Evan, ich bin dir vom Grosvenor Square nachgelaufen«, keuchte er außer Atem.
Ich sprang auf.
»Ich war in derselben U-Bahn wie ihr und hab alles beobachtet. Hier ist dein Rucksack.«
Meine Beine drohten unter mir nachzugeben, und zu PJs großer Verlegenheit fiel ich ihm um den Hals. Dann nahm ich ihm den Rucksack ab.
»Wie bist du denn da dran gekommen?«
»Ich war im Waggon hinter euch. In der allgemeinen Panik ist der Rucksack zwischen Zug und Bahnsteig gefallen. Ich hab ihn von den Gleisen geholt.« Seine Hände waren übersät mit Schrammen und Schnittwunden, und in seinem Hemd hingen Glassplitter. »Vorhin mit dem Mietwagen – ich wollte dich nicht überfahren«, sagte er verlegen.
»Ich weiß.« Dankbar ergriff ich ihn am Arm. »Du hast keine Ahnung, wie wichtig dieser Rucksack ist.« Ich zog ihn zum Tisch. »Das hier ist Georgie. Georgie, das ist PJ Blackburn.«
Sie musterte ihn prüfend. »Sie waren am Grosvenor Square.«
Er nickte anerkennend. »Du rennst ja wie der Teufel, Mädchen. Da konnte ich nicht mithalten.«
»Wo ist Jesse?«, fragte ich.
»Ich hatte gehofft, hier bei dir.«
Offenbar gefiel ihm mein Gesichtsausdruck nicht. Jedenfalls lief er rot an und ging sofort in die Defensive.
»Er hat mir gesagt, ich soll Georgie folgen, und das hab ich auch getan«, verteidigte er sich.
Ich hängte mir den Rucksack über. »Komm, Georgie«, sagte ich. »Schnell.«
Noch bevor wir draußen waren, hatte ich Jesses Nummer gewählt. Keine Antwort.
Wir eilten jetzt Richtung Regent Street. »Wir haben nur noch fünfundzwanzig Minuten. Seht ihr irgendwo ein Taxi?«
»Kannst du Jesse nicht erreichen?«, fragte PJ.
»Nein.«
»Dann geh ich zurück zum Grosvenor Square«, sagte er entschlossen und erinnerte mich in diesem Augenblick sehr an seinen Bruder.
»Nein«, wehrte ich ab. »Du musst mir helfen, auf Georgie aufzupassen.«
»Das braucht er nicht«, meldete sie sich.
»Doch, ich will, dass er hier bei uns bleibt.«
»Ich meine, er braucht nicht zum Grosvenor Square gehen. Das ist doch der Mann, oder?«
Wir fuhren herum. Auf der Regent Street stand ein silberner Jaguar XK8 im dichten Verkehr. Auf dem Beifahrersitz lehnte sich ein junger Mann mit Ohrring und Baseballkappe aus dem Fenster, um zu sehen, was den Stau verursacht hatte. Hinterm Steuer saß Jesse.
PJ kniff die Augen zusammen. »Wie hat er denn das gemacht?«
Ich pfiff auf zwei Fingern. Jesse horchte auf, entdeckte uns, und als die Ampel umsprang, fuhr er an den Straßenrand.
Der Mann auf dem Beifahrersitz stieg aus und hielt mir die Tür auf. Sein T-Shirt und seine Trainingshose waren über und über mit Farbe bekleckst. »Sind Sie vielleicht Evan Delaney?«
»Darauf können Sie Gift nehmen.«
»Ist Ihr Freund immer so stur?« Er lächelte, beugte sich ins Wageninnere und schüttelte Jesse die Hand. »Passen Sie gut auf sich auf. Bei der technischen Inspektion kämen Sie mit der Konstruktion nicht durch.«
»Soll ich Ihnen die Bauteile zurückschicken, wenn ich sie nicht mehr brauche?«, fragte Jesse.
Der junge Mann schüttelte lachend den Kopf. Gemeint waren abgesägte Dübel, die mit Isolierband an den Pedalen befestigt waren.
»Fahren Sie mir aber nicht durch
Weitere Kostenlose Bücher