Vermisst: Thriller (German Edition)
Gesicht zu spucken.
»Er hat die nationale Sicherheit gefährdet. Selbst wenn er behauptet, dabei irgendwelche hehren Absichten zu verfolgen, entlastet ihn das nicht.«
»Wir sind dabei, uns seine Anruflisten zu besorgen«, warf Farelli ein. »Falls Sie also hinterher Kontakt zu ihm hatten, finden wir das heraus. Und sollte sich herausstellen, dass Sie von seinem Vorhaben wussten, könnte das als Beihilfe zur Flucht ausgelegt werden.«
»Flucht? Großer Gott, er ist nicht geflohen.«
»Ihre mangelnde Kooperationsbereitschaft ist bedauerlich, aber verständlich«, sagte Gray. »Sollten jedoch seine Anwälte involviert sein, wäre das eine völlig andere Sache.«
Jesse wandte den Blick ab und verzog den Mund. »Wollen Sie uns nur mit Schmutz bewerfen, oder haben Sie uns tatsächlich was zu sagen?«
Gray zögerte einen Augenblick. Vermutlich trug er Jesse gerade in seine ganz persönliche schwarze Liste ein. »Wenn Ms. Delaney uns bei unseren Ermittlungen uneingeschränkt unterstützt, kann das ihrem Vater nur nützlich sein.«
»Unterstützen? Sie wollen, dass ich meinen Vater ans Messer liefere. Vergessen Sie’s.«
»Werden Sie nicht dramatisch.«
»Aber genau das meinen Sie doch. Sie wollen, dass ich ihm etwas anhänge, das er nicht getan hat. Nein. Er ist nirgendwohin geflohen.«
Grays Glatze schimmerte im Licht. »Wen kennt Ihr Vater in Kolumbien?«
»In Südamerika? Ich habe keine Ahnung.«
»Was ist mit Thailand?«
»Wovon reden Sie eigentlich?«
»Warum war er in den vergangenen neun Monaten zweimal in Großbritannien?«
Volltreffer. Ich fühlte mich, als hätte man mir mit dem Nudelholz eins übergebraten. Mein Vater war im Ausland gewesen?
»Danach tauchte er in Santa Barbara auf, um mit Ihnen und seinen Anwälten zu reden. Und jetzt auf einmal ist er verschwunden.«
Gray schürzte die Lippen. »Falls Sie Kontakt zu Ihrem Vater haben, sagen Sie ihm, er soll sich stellen. Noch können wir die Angelegenheit diskret behandeln, aber das gilt nur noch für die nächsten Stunden.« Er nickte Ceplak zu. »Danach dürfte das FBI öffentlich bekannt geben, dass sein Verschwinden inszeniert war.«
»Das werden wir wohl tun«, stimmte Ceplak zu.
»Mir wären dann zwar die Hände gebunden, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sich die Medien für den Fall interessieren. Ein früherer Geheimdienstoffizier mit zweifelhaften Kontakten täuscht einen Unfall vor, um der bevorstehenden Anklageerhebung zu entgehen. Leider habe ich keinen Einfluss darauf, wie das in der Öffentlichkeit dargestellt wird.«
»Aber Sie können doch …«
»Ev.« Jesse packte mich fest am Arm.
Gray drückte seine Getränkedose zusammen und warf sie in einen Abfalleimer. »Lassen Sie von sich hören.«
4. Kapitel
Ich stürmte mit solchem Schwung aus dem Konferenzzentrum, dass die Tür außen gegen die Mauer flog. »Mistkerl.«
Es war ein sonniger, aber windiger Tag. »Publicitygeiles Arschloch.« Wütend marschierte ich zum Auto. »Wenn Gray die Story durchsickern lässt und die Los Angeles Times Wind davon bekommt, ist Dads Ruf endgültig im Eimer. Genialer Plan. So kommt man als ehrgeiziger Staatsanwalt in die Schlagzeilen.«
Ich langte nach dem Türgriff, aber natürlich war abgeschlossen. »Vorgetäuscht! So ein Schwachsinn. Dem ist mein Vater doch völlig egal! Der Wagen stürzt dreißig Meter weit in die Tiefe, und er redet von Inszenierung.«
Ich riss erneut an der Tür.
»Inquisitor. Dieser widerwärtige, aufgeblasene …« Immer noch abgeschlossen. Als ich mich umdrehte, merkte ich, dass Jesse im Konferenzzentrum stand und mit Farelli redete. Ich sprach mit mir selbst.
Ich lehnte mich an den Pick-up. Wolken zogen über die Sonne. Auf der anderen Seite des Cabrillo Boulevard funkelte hinter einer Palmenallee der Ozean.
Das Auto war geschoben worden. Nicht eine Sekunde lang glaubte ich daran, dass mein Vater das getan hatte. Jemand anders hatte meinen Vater ausgeschaltet. Mich überlief es heiß und kalt. Angst und Hoffnung hielten sich die Waage.
Mein Vater war am Leben.
Jesse hatte sein Gespräch mit Farelli beendet und lenkte seinen Rollstuhl zum Auto. »Drew ist voll auf Grays Linie eingeschwenkt. Ich hab nichts erreicht.«
»Der ist doch Grays Laufbursche.«
»Eigentlich ist er ein anständiger Kerl, aber leider möchte er es jedem recht machen. Das war schon auf der Uni so.« Er schloss die Tür auf. »Denkst du dasselbe wie ich?«
»Dad ist entführt worden.«
Sein Gesicht war ernst.
Weitere Kostenlose Bücher