Vermisst: Thriller (German Edition)
vertrauen?
»Woher kennt Gray die Sangers?«, fragte ich.
Farelli zögerte, bis ich rückwärts rutschte, auf seine Knie zu.
»Bevor er zur Bundesanwaltschaft ging, war er Rechtsberater für einen Unterausschuss des Senats. Dort hörte er zum ersten Mal von Mrs. Sanger.«
»Reden Sie vom Geheimdienstausschuss?«
Er nickte.
Also wusste Gray von Riverbend. Der ehrgeizige, skrupellose, machtbesessene Nicholas Gray. Hier verbarg sich die Antwort auf Jesses Frage: Rio Sanger blieb unbehelligt, weil Gray glaubte, sie hätte Beweise für ein Fehlverhalten meines Vaters bei Undercover-Operationen.
»Gray hat von sich aus Kontakt mit Rio Sanger aufgenommen, stimmt’s?«, fragte ich. »Er hat sie um ihre Hilfe gebeten. Die sie gern gewährte, weil sie unter dem Schutz der Regierung steht. Ich nehme an, sie genießt Immunität, weil sie dem US-Geheimdienst seit Jahren Informationen liefert. Und Gray, der nicht genügend Material für eine Anklage gegen meinen Vater hatte, hoffte, Rio Sanger könnte irgendeine schmutzige Geschichte ausgraben.«
Bedrückt musterte ich meinen Vater. »Aber Rio wollte das Riverbend-Dossier nicht ohne Gegenleistung besorgen. Ich wette alles darauf, dass Gray dich in ihrem Auftrag in die Falle gelockt hat. Gray hat Boyd Davies angerufen und ihm verraten, wo er dich finden konnte.«
Dann stützte ich mich wieder auf Farellis Brust. »Wo ist Lily?«
Sein ausweichender Blick war Antwort genug.
»Verdammter Mistkerl. Was haben Sie mit ihr gemacht?«
Er starrte auf den Container, der das Ende der Gasse blockierte. »Werden Sie bloß nicht pampig. Denken Sie, ich weiß nicht, dass sie mit Ihnen unter einer Decke steckt?«
»Haben Sie ihr was getan?« Nun packte mich erst recht die Wut. »Wo ist Jesse?«
Als Farelli schwieg, packte mein Vater Farelli am Knöchel und trat mit dem Fuß kräftig gegen die Außenseite seines Knies.
Farelli heulte auf. »Ich habe sie nicht umgebracht. Aufhören! Bitte aufhören!«
Mein Vater ließ nicht nach. »Was ist mit Jesse?«
»Den habe ich in einen anderen Teil des Hafens geschickt.«
Was hatte Rio Sanger gesagt? Sie hatte alles, was sie brauchte – und das war nicht das Riverbend-Dossier. Das spielte in ihrem Plan nur eine Nebenrolle.
Ich schüttelte Farelli. »Warum haben Sie Christian Sanger angerufen? Haben Sie ihm gesagt, dass Lily und ich hier sind?«
»Nein. Ich habe nur eine Information weitergeleitet.«
»Und von wem kam die?«
»Vom FBI. Ich hatte meine Anweisungen.«
»Anweisungen von Nicholas Gray?«
»Genau.«
»Und aus was bestand diese Information?«
»Nur aus einer Zahl.« Er wirkte ein wenig verunsichert. »Eine Zahl eben. Neun drei fünf.«
Ich hockte da wie gelähmt. Plötzlich drang aus dem Container ein Laut, bei dem es mir eiskalt über den Rücken lief. Rio Sanger lachte.
935. Das war der Preis für das Material, das Rio Sanger Gray liefern sollte. Die Nummer unseres Fluges von London nach Los Angeles.
»Was ist, Kit?«, fragte mein Vater besorgt. »Was ist denn?«
Ich ließ Farelli los. »Er hat ihnen Georgie geliefert.«
37. Kapitel
Eiskaltes Wasser spritzte ihm ins Gesicht. PJ blinzelte und schloss sofort wieder die Augen. Stöhnend fasste er nach seinem Kopf. War das Blut an seiner Hand?
Es dauerte eine Weile, bis er den gekachelten Raum mit den hellen Deckenleuchten, den großen Spiegeln und den Waschbecken einordnen konnte. Als er die Hand ausstreckte, um sich hochzuziehen, berührte er eine WC-Schüssel. Er lag in einer öffentlichen Toilette auf dem Boden.
Jemand hämmerte von draußen gegen die Tür. Er schaffte es auf die Knie und versuchte aufzustehen, fiel aber mit dem Gesicht gegen die Kabinenwand.
»Aufmachen«, rief jemand.
PJ packte die Angst. Georgie. Er hatte mit Georgie Kaffee getrunken und war nur kurz zur Toilette gegangen. Wieder versuchte er sich aufzurappeln. Diesmal klappte es. Er stolperte aus der Kabine. Das Waschbecken hatte einen Riss, und aus dem Hahn spritzte das Wasser. Das Porzellan war blutverschmiert. Als er sich selbst im Spiegel musterte, beschlich ihn das unangenehme Gefühl, dass sich der Schaden am Waschbecken einem Zusammenstoß mit seinem Kopf verdankte. Er stolperte zur Tür und rüttelte daran, aber sie war abgeschlossen.
Er schlug mit der Handfläche dagegen. »Holen Sie den Schlüssel.«
Georgie. Panik stieg in ihm auf. Er sollte doch auf Georgie aufpassen!
Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, und die Tür schwang auf. Er fegte an der bestürzten
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