Vermisst: Thriller (German Edition)
haben.« Sie nickte zu meinem Vater hinüber. »Phil Delaney oder Jakarta Rivera.«
»Und Sie wollten die Informationen an Gray weiterleiten, wenn er Ihnen dafür verriet, wo mein Vater zu finden war?«
Farelli stöhnte laut auf. Hatte er tatsächlich keine Ahnung gehabt?
»Die Sache hat zwei Haken. Zum einen zeigt das Riverbend-Dossier nicht, wie mein Vater Hank Sanger erschießt.«
»Na klar, und in seinem Ring ist ein Dechiffriercode eingraviert. Sie sind eine miserable Lügnerin.«
»Die Kamera im Haus war nicht die einzige. Es gibt Satellitenaufnahmen. Wo kommen die eigentlich her?«, fragte ich meinen Vater.
»Vermutlich hatte die NSA einen Satelliten über Thailand positioniert, um ein Militärmanöver zu beobachten. Gutes Timing.«
»Die Satellitenbilder dokumentieren, wie Shiver Hank Sanger von einem Dach auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus erschießt. Shiver hat Sie vorher noch angerufen, weil unerwartet Christian aufgetaucht war, aber Sie haben die Aktion eiskalt durchziehen lassen.«
Rio Sanger öffnete den Mund, aber ihr fiel – vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben – nichts ein, womit sie sich hätte herausreden können.
»Das Filmmaterial beweist, dass mein Vater unschuldig ist. Sie selbst haben Christians Vater ermorden lassen.«
Farelli hämmerte mit dem Kopf gegen den Boden. Was für ein Volltrottel!
Rio wand sich herum, sodass ihr der Pelz von den Schultern rutschte. »Wissen Sie, Ihre Einstellung gefällt mir. Sie behalten auch in ausweglosen Situationen die Nerven. In meinem Geschäft kann das sehr nützlich sein.«
»Das Schlimmste haben Sie noch nicht gehört. Sie wollten Georgie entführen lassen, weil sie eine Knochenmarkspenderin für Christian brauchen. Aber Georgie ist gar nicht Christians Schwester.«
Sie lachte nur.
Ich grub in meinem Rucksack nach Georgies Geburtsurkunde und ihrem Pass und legte ihr beides in den Schoß.
»Hank Sanger war nicht Georgies Vater.« Ich trat einen Schritt zurück. »Als Vater ist Phil Delaney eingetragen.«
Ein knisterndes Schweigen breitete sich aus, während Rio fassungslos auf die Papiere starrte. Mein Vater holte tief Luft, sagte aber nichts, und ich vermied seinen Blick.
Rio schüttelte den Kopf. »Das kann doch nicht …«
»Georgie ist vor elf Jahren geboren. Ich habe den Zeitstempel auf den Satellitenbildern nicht überprüft, aber meines Wissens starb Hank vor zwölf Jahren. Ist das richtig?«
Sie starrte immer noch auf die Papiere, doch nun war ihre ungläubige Miene der Verzweiflung gewichen. Ich packte die Dokumente wieder in meinen Rucksack.
»Georgie wurde Monate nach Hanks Sangers Ermordung gezeugt. Er kann gar nicht ihr Vater gewesen sein.«
»Sie können doch nicht …«
Sie rang nach Luft und krümmte sich plötzlich, als hätte sie einen Schlag in die Magengrube bekommen. »Nein«, ächzte sie. »Nein!«
»Christian hat keine Schwester. Sie sind seine einzige Blutsverwandte, und ich vermute, dass es bei Ihnen keine ausreichende Gewebeübereinstimmung gibt.«
»Das – das kann einfach nicht sein. Sie lügen!«
»Nein. Ich bin eine schlechte Lügnerin, das haben Sie selbst gesagt.«
Schwer atmend presste sie die Stirn gegen den Boden des Containers.
»Die Krankheit wurde durch die Behandlung verursacht, die Sie ihm in der Pubertät verabreicht haben, stimmt’s? Was war es – eine Chemotherapie, um sein endokrines System lahmzulegen, damit sie ihn weiter als Mädchen ausgeben konnten? Oder Bestrahlungen, die seine Zellstruktur zerstört haben?«
Mein Vater griff nach dem Besenstiel und zog sich daran hoch. »Sie hat ihn ihren Kunden als Mädchen präsentiert und sie mit ihm gefilmt. Selbst in den zwielichtigsten Diplomatenkreisen dieser Welt ist es ein Karrierekiller, mit einem minderjährigen Jungen erwischt zu werden. Genauso gut kann man Harakiri begehen.« Er humpelte zu mir herüber. »Christian war ihr bestes Pferd im Stall.«
»Sie haben seine Krankheit verursacht. Und jetzt muss er sterben, weil es niemanden gibt, der ihn retten kann.«
Sie hob herausfordernd das Kinn. »Zum Teufel mit euch!«
Dann brach sie in Tränen aus. Einen Augenblick betrachtete ich sie, wie sie mit zurückgeworfenem Kopf schluchzte. Dann hielt ich mir Farellis Handy ans Ohr.
»Haben Sie das gehört, Christian?«, fragte ich.
Er sagte gar nichts. Also ja.
»Hier ist mein Angebot: Georgie gegen Ihre Mutter«, fuhr ich fort.
Mein Vater starrte mich ebenso entsetzt an wie Rio Sanger.
»Sie wollen Ihre Mutter
Weitere Kostenlose Bücher