Vermisst: Thriller (German Edition)
doch sicher wiederhaben. Dann beeilen Sie sich, bevor die Polizei kommt.«
»Ich hasse euch alle«, sagte er mit heiserer Stimme.
Ich hängte ein. Er hatte verstanden. Mein Angebot hatte nichts mit Großherzigkeit zu tun. Es ging um Blut.
38. Kapitel
Jesse steuerte direkt auf das Pförtnerhäuschen zu, aus dem jetzt ein Wachmann gelaufen kam. Unterdessen schimpfte die Dame von der Notrufzentrale immer noch ins Telefon.
»Das ist nicht witzig! Wenn Sie nicht sofort die Leitung freimachen …«
»Schicken Sie jemand zum Hafen.« Jesse trat aufs Gas. »Ein Pick-up ist in das Pförtnerhäuschen von Pacific Gateway gefahren.«
Die nörgelnde Stimme klang alarmiert. »Wann ist das denn passiert?«
»Genau … jetzt.«
Er ließ das Handy fallen. Der Wachmann sprang in das Häuschen zurück, vermutlich, um das Tor per Knopfdruck zu schließen.
Jesse hupte lautstark. Das kleine Gebäude war im Grunde nur ein Holzschuppen mit ein paar Bildschirmen und einem Stuhl. Sechzig Meter, fünfzig, und dann trat er auf die Bremse, kurbelte am Lenkrad und zog die Handbremse. Das Heck des Pick-ups brach aus, und er rutschte mit qualmenden Reifen seitlich auf das Häuschen zu. Der Wachmann glotzte für einen Augenblick ungläubig den schleudernden Wagen an. Dann nahm er die Beine in die Hand. Er schaffte es gerade noch rechtzeitig, bevor der Pick-up gegen die Holzwand prallte. Jesses Kopf knallte gegen die Kopfstütze.
Der Wachmann fuchtelte mit den Armen. »Sind Sie verrückt geworden? Was tun Sie da?«
Die Polizei auf den Plan rufen. Jesse holte einmal tief Luft und fuhr los, bevor der Wachmann das Tor von Hand schließen konnte.
Die Sonne hing wie ein orangefarbener Feuerball am Horizont, als er zu der Gasse zwischen den Containerstapeln hinüberschlitterte, wo er Farelli abgesetzt hatte. Da vorne stand Lilys Auto.
Er stoppte mit quietschenden Bremsen. Die Fahrertür des anderen Wagens war offen.
»Oh verdammt. Lily. Lily!«
Sie hockte zusammengesunken auf dem Fahrersitz. Er wendete und setzte zurück, bis sich seine Tür genau gegenüber der ihren befand. Dann schwang er sich am Türrahmen nach draußen, bis er sich an ihre Tür klammern konnte.
»Lily.«
Sie reagierte nicht, und als er ihren Puls fühlen wollte, verlor er prompt das Gleichgewicht. Er krallte sich in die Tür, aber die schwang herum, und er landete mit dem Hintern auf dem nassen Boden. Zähneknirschend wuchtete er sich hoch, packte ihren Arm und zog. Das war ganz und gar nicht vorschriftsmäßig, aber für was anderes hatte er keine Zeit. Wie eine Lumpenpuppe kippte sie aus dem Auto. Er fing sie auf und legte ihr die Finger an den Hals.
Der Puls war regelmäßig und kräftig. Und sie atmete. Ihre Lider flatterten.
»Lily, ich bin’s, Jesse. Kannst du mich hören?« Als sie nicht reagierte, schnipste er mit dem Zeigefinger kräftig gegen ihre Wange. »Aufwachen, Rodriguez.«
Beim zweiten Versuch zuckte sie zusammen und öffnete die Augen. Sie starrte ins Leere, doch dann wurde ihr Blick klar, und sie merkte, dass sie halb aus dem Auto hing.
»Was ist passiert?«
»Das wüsste ich gern von dir.«
Es dauerte eine Weile, bis sie antwortete. »Farelli.«
»Drew?«
»Er hat mich gewürgt.«
Jesse überlief es eiskalt. »Was?«
»Er hat mir die Hände um den Hals gelegt und dann … ich hab das Bewusstsein verloren. Oh – und mein Kopf bringt mich um. Er muss mir eins übergezogen haben.«
Sie wirkte völlig verängstigt und panisch. Ihre Hände flatterten, und sie versuchte, die Beine zu bewegen. Zumindest das war ein gutes Zeichen.
»Wie sehe ich aus?«, fragte sie.
»Besser als ich.«
»Mein Revolver …« Beruhigt stellte sie fest, dass die Waffe noch im Holster steckte.
»Kannst du dich aufsetzen?«
Sie bemühte sich, aber ohne Erfolg. »Nein.« Sie war den Tränen nahe.
»Reg dich nicht auf.«
Als er die blauen Flecken an ihrem Hals entdeckte, packte ihn die Wut. Farelli hatte ihn in die Irre geschickt und Lily zusammengeschlagen. Er hob sie auf ihren Sitz zurück, wo sie sofort wieder in sich zusammensank.
Die Augen fielen ihr zu. »Kann nicht. Sorry.«
»Ich hab alles im Griff.«
Sie merkte gar nicht, dass er ihren Revolver aus dem Holster nahm. Dann schwang er sich wieder in seinen Pick-up, wendete und fuhr in die Gasse hinein. Hinter einer Ecke entdeckte er Rio Sangers schwarzen Mercedes. Dahinter parkte ein niedriger roter Viper. Von dieser Stelle aus führte ein schmaler Pfad seitlich in den Stapel hinein.
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