Verneig dich vor dem Tod
sich auf das Bett. »Wenigstens hat Sigeric offenbar seine Zweifel an der Beschuldigung der Hexerei«, meinte sie und lehnte sich entspannt zurück. Dann fuhr sie auf und rief: »Ach!«
Eadulf zuckte nervös zusammen und blickte sich um.
»Was ist?« fragte er.
»Ich müßte jemandem sagen, wo wir unsere Ponys gelassen haben. Die Nacht wird kalt, und sie könnten erfrieren.«
Eadulf seufzte. Es sah Fidelma so ähnlich, selbst in ihrer Notlage noch an das Wohlergehen von Tieren zu denken.
Sie stand auf und schaute sich noch einmal um.
»Nun, ich glaube nicht, daß wir von hier fliehen können, bevor Sigeric uns herausläßt, also ist es auch nicht nötig, die Ponys in einem Versteck bereitzuhalten, und morgen, na, wir werden sehen …«
Sie ging zur Tür und rief nach der Wache.
Die Riegel rasselten, und der hochgewachsene Krieger Werferth stand mit gezogenem Schwert in der Tür.
»Sprich, Frau«, knurrte er.
Fidelma erwiderte seinen finsteren Blick mit einem Lächeln und erklärte ihm, wo sie ihre Ponys angebunden hatten.
»Schick jemanden hin, der sie in die Abtei hereinholt, wo sie Wärme und Futter finden«, wies sie ihn an. »Sonst erfrieren sie da draußen in der Nacht.«
Der Krieger starrte sie überrascht an, wahrscheinlich ebenso verblüfft wie Eadulf, daß sie in einem solchen Moment an das Schicksal der Ponys denken konnte.
»Das soll geschehen, Frau«, sagte Werferth schließlich. »Ist das alles?«
»Das ist alles, außer daß mein Freund hier gern etwas hätte, um seinen Hunger zu stillen.«
»Das Essen wird euch bald gebracht«, antwortete Werferth barsch und schloß die Tür. Sie hörten, wie die Riegel vorgeschoben wurden.
Fidelma setzte sich wieder auf das Bett.
Langsam verging die Zeit, und schließlich brachte ihnen Werferth eine Mahlzeit. Er war streng und sachlich und ließ sich auf kein Gespräch ein. Sein Gefährte stand mit gezogenem Schwert in der Tür, während er das Tablett auf dem Schemel abstellte. Danach ging er wortlos wieder hinaus.
Sie aßen schweigend.
Sie hatten die Mahlzeit gerade beendet, als sie entferntes Schreien hörten. Dann trat wieder Stille ein.
»Was meinst du, was das war?« fragte Eadulf.
Fidelma zuckte mit den Schultern. Sie gab keine Antwort. Es wurde ruhig, die Zeit verging. Schließlich wurde ihnen klar, daß sie wahrscheinlich über Nacht eingesperrt bleiben würden, also zwängten sie sich zusammen in das schmale Bett und versuchten zu schlafen.
Sie waren eingenickt. Keiner wußte, ob es vor oder nach Mitternacht war. Schon lange herrschte Dunkelheit in ihrer Zelle, und es gab keine Möglichkeit, sie zu erhellen, denn sie besaßen weder eine Kerze noch eine Öllampe. Sie hatten es sich in dem Bett so bequem gemacht, wie es eben ging, und so hatte sie schließlich ein unruhiger Schlaf überwältigt.
Es waren das Quietschen der Riegel und scharfe Befehlsworte, die sie wachrüttelten und ihnen kaum ein paar Sekunden Zeit gaben, bevor die Tür aufgerissen wurde.
Eadulf hatte sich aus dem Bett gerollt, blinzelte und versuchte, die Lage zu erfassen.
Werferth und sein Gefährte standen mit gezogenen Schwertern innerhalb der Tür.
Gleich darauf trat Sigeric ein, eine Lampe in der Hand. Sein Gesicht war blaß, und er sah erschüttert aus.
Er wartete, bis Fidelma sich erhob und mit noch getrübten Augen zur Besinnung kam.
»Was ist los?« fragte Eadulf, der sich als erster gefaßt hatte.
Sigeric schaute ihn einen Moment aus seinen hellgrauen Augen an und sagte dann: »Kommt mit. Ihr beide.« Abrupt wandte er sich um.
Draußen reihten sich die beiden Krieger hinter Fidelma und Eadulf ein. Eadulf langte instinktiv nach Fidelmas Hand und hielt sie fest.
»Hab keine Angst«, flüsterte er. »Wenn sie uns töten wollen, zeigen wir ihnen, wie wenig uns ihre Freude daran bedeutet.«
Fidelma biß bei diesen Worten die Zähne zusammen, sagte aber nichts.
Sigeric hielt die Lampe hoch und marschierte mit raschen Schritten die Gänge der Abtei entlang – überraschend schnell für einen Mann seines Alters.
Er ging geradewegs zur Kapelle der Abtei, durch die Kreuzgänge und über den Hof, und betrat sie durch die Haupttür.
Kleine Gruppen von Brüdern standen hier und da in der Kapelle beisammen. Sie wandten sich um, als Sigeric hereinkam. Fidelma und Eadulf fiel auf, daß ihre Gesichter im Kerzenlicht angstvoll aussahen, während sie beobachteten,wie der Alte seine Gefangenen an den Grüppchen vorbei zum Hochaltar führte.
Fidelma und Eadulf
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