Verneig dich vor dem Tod
Frauen nur als …« Er hielt inne und zuckte die Achseln. »Das ist viel verlangt von meinen Landsleuten.«
»Wenn ich die Untersuchung abgeschlossen habe«, fuhr Fidelma fort, als habe er sie nicht unterbrochen, »dann und erst dann wirst du die verurteilen, die schuldhaft gehandelt haben. Ich möchte aber, daß Leute frei in die Abtei kommen und sie frei wieder verlassen können, wenn sie in der Angelegenheit, die wir untersuchen, nicht schuldig sind.«
Es herrschte Schweigen, während Sigeric ihren Vorschlag überdachte.
»Du stellst mir eine Falle, Fidelma«, sagte er schließlich. »Du deutest damit an, daß du Leute vorladen wirst, die möglicherweise anderer Verbrechen schuldig sind.«
»Schuldig keiner Verbrechen, von denen ich weiß, aber vielleicht schuldig in deinen Augen«, erklärte sie.
»Wer zum Beispiel?«
»Ich denke an Aldhere.«
Sigeric staunte. »Der frühere Than von Bretta’s Ham? Der Geächtete? Den würdest du hierher vorladen? Er ist schuldig genug, um für seine anderen Taten gehängt zu werden.«
»Trotzdem brauche ich ihn hier, und zwar mit freiem Geleit. Ihn und seine Frau Bertha.«
Wieder zögerte Sigeric. Es war klar, daß es ihm widerstrebte, die Entscheidung zu treffen, die er treffen mußte. Schließlich hob er leicht resignierend die Arme.
»Du hast mein Wort. Ich nehme deine Bedingungen an.«
»Natürlich müssen wir auch Gadra und seine Gefolgsleute ersuchen, hier zu erscheinen. Das ist ganz wesentlich. Dein König sieht sie vielleicht nicht gern in seinem Reich.Doch sie sind nun einmal hier, und sie müssen ebenfalls mit freiem Geleit kommen und gehen können.«
»Möchtest du noch jemanden einladen? Vielleicht Sigehere von den Ost-Sachsen? Oder Wulfhere von Mercia?« fragte Sigeric spöttisch. »Ich vermute, das freie Geleit erstreckt sich auf alle, die irgendwie schuldig sind.«
»Ich muß jedem sagen können, daß er frei herkommen kann, doch wenn ihm Mord oder verräterische Verschwörung gegen dieses Königreich nachgewiesen wird, daß er dann nicht frei gehen kann. Wer unter dieser Bedingung die Reise nicht antritt und lieber wegbleibt, dessen Abwesenheit kann gegen ihn ausgelegt werden.«
Sigeric kniff einen Moment die Augen zusammen und brach plötzlich in ein Gelächter aus.
»Bei Wotans Schwert, du bist eine kluge Frau, Fidelma. Es tut mir leid, daß ich nicht früher auf dich gehört habe.«
»Habe ich deine Zustimmung dafür?«
»Die hast du.«
»Dann brauche ich Reiter, die Aldhere und Gadra aufsuchen.«
Sie blickte in das düstere Gesicht des Apothekers, der sich im Hintergrund hielt, und rief ihn heran.
»Bruder Higbald, ich möchte, daß du mit Bruder Laisres Mann draußen vor der Abtei Verbindung aufnimmst …«
Dem Apotheker sank die Kinnlade herunter.
»Das weißt du?« keuchte er.
»Ich weiß, daß du gegen deinen Willen der Verbindungsmann zu Gadra, Garb und Bruder Laisre bist. Ich brauche sie morgen mittag hier in der Kapelle. Sag ihnen, daß ich ihnen freies Geleit zusichere.«
Bruder Higbald zögerte noch.
Sigeric hatte zweifellos viele Fragen, doch er machte nur eine ungeduldige Geste.
»Tu, was sie sagt. Du kannst noch meine Garantie für Schwester Fidelmas Geleit hinzufügen.«
»Wenn wir jetzt noch Mul finden könnten …«, überlegte Fidelma, während der Apotheker davoneilte.
»Den Bauern Mul? Den sie hier den verrückten Mul nennen?«
Überrascht wandte sich Fidelma zu Sigeric um. »Kennst du ihn?«
»Meine Männer haben ihn in der Abenddämmerung aufgegriffen, als er sich Eingang in die Abtei verschaffen wollte. Ich werde ihn sofort freilassen.«
Fidelma sah Eadulf erstaunt an.
Sigeric lächelte. »Als er bis zur verabredeten Zeit in der Schmiede nichts von euch hörte, befürchtete er, daß euch etwas zugestoßen sei, und versuchte, in die Abtei zu gelangen und euch zu befreien. Ein tollkühner Mensch, aber offensichtlich einer, der euch treu ergeben ist. Ihr könnt ihm sagen, wie er sich weiter verhalten soll.«
»Daß Mul herkam, ist ein Glücksfall«, meinte auch Fidelma. »Morgen mittag können wir alle Beteiligten hier in der Kapelle versammeln und ein merkwürdiges Geheimnis enträtseln. Doch zuvor möchte ich dir gern noch eine Frage stellen.«
Der Alte lachte kurz auf.
»Wie könnte ich dir das jetzt noch verweigern? Frag nur, Fidelma.«
»Zu welchem Zweck bist du in die Abtei gekommen? Was bringt den Oberhofmeister in diese entlegene Ecke des Königreichs?«
Sigeric schmunzelte. »Eine gute Frage
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