Verneig dich vor dem Tod
vertrittst. Deshalb habe ich euch eingelassen. Bist du von unserem neuen Erzbischof hergesandt? Stimmt es, daß er Grieche ist und in derselben Stadt geboren wurde wie der heilige Paulus von Tarsus?«
Eadulfs Mund verzog sich leicht vor Ärger, doch er dachte, daß die Ehrerbietung, mit der der andere von Theodor sprach, ganz nützlich sein könne.
»Ich kenne Theodor gut und diene ihm als Gesandter«, antwortete er ruhig. »Ich war so glücklich, ihm die Bräuche unseres Landes erklären zu dürfen, als wir in Rom weilten. In seinem Namen verlange ich, daß du …«
»Du warst selbst in Rom?« Bruder Willibrod flüsterte beinahe vor Ehrfurcht.
»Ja, das war ich. Aber jetzt, Bruder, fordere ich im Namen Theodors Gastfreundschaft für mich und meine Ehefrau!«
Bruder Willibrods Unterkiefer sank leicht herab, und er starrte erst Eadulf, dann Fidelma an.
Fidelma konnte sich einen befremdeten Blick auf ihren Gefährten nicht versagen, und sie fügte peinlich korrekt hinzu: »Ich bin nur eine
ben charrthach
.«
Bruder Willibrod hatte keine Ahnung von den feinen Unterschieden in den irischen Ehegesetzen und dem Status von Ehefrauen. Er schüttelte betrübt den Kopf.
»Ich werde euer Ersuchen um Gastfreundschaft dem Abt übermitteln, da es im Namen des Erzbischofs gestellt wird, den Rom hergesandt hat, und weil, wie du gesagt hast, das Wetter zu unwirtlich ist, als daß die fremde Frau noch weiterreisen könnte. Aber ich muß euch warnen. Abt Cild gehört zu den Geistlichen, die an das Zölibat für alle Mönche und Nonnen glauben. Bis zur Synode von Whitby war dies ein gemischtes Haus. Als in Whitby die Entscheidung gegen die Iren fiel, wurden die meisten irischen Äbte und Mönche – und viele Angelsachsen, die bei ihrer Lehre bleiben wollten – aus diesen Königreichen ausgewiesen.
Cild wurde hier zum Abt ernannt und trat später zur römischen Regel über. Damit befürwortete er das Zölibat. Die verheirateten Mönche und Nonnen wurden aufgefordert, das Haus zu verlassen. Wir wurden eine geschlossene Gemeinschaft. Es ist gegen meine Anweisungen, wenn ich eine Frau in diese Gebäude einlasse. Nur deine Vollmacht als Abgesandter Erzbischof Theodors zwingt mich dazu, deinen Fall Abt Cild vorzulegen. Vielleicht verweigert er euch die Gastfreundschaft …« – er hielt inne und schaute Fidelma verlegen an –, »besonders, wenn er erfährt, daß ihr zu den verheirateten Mönchen und Nonnen gehört.«
Fidelma lächelte den
dominus
gewinnend an, denn sie meinte, mit Diplomatie mehr zu erreichen als mit dem Pochen aufs Recht.
»Wir werden unser Verhältnis nicht besonders betonen, Bruder Willibrod«, sagte sie mit einem bedeutsamen Blick auf Eadulf. »Und vielleicht respektierst du unser Vertrauen, wenn es dadurch für alle Beteiligten leichter wird?«
Der
dominus
zögerte einen Moment und zuckte dann die Achseln. »Ich werde es nicht erwähnen, wenn ihr es so wünscht.«
Eadulf kochte vor Zorn, bezwang sich aber, so gut er konnte.
»Dann könntest du uns, statt daß wir hier in der Kälte der Nacht herumstehen, eure Gästeunterkunft zeigen, damit wir uns waschen und aufwärmen können. Denn ich muß dir sagen, daß wir, was dein Abt auch meint, diese Nacht den Schutz dieses Hauses nicht verlassen werden – jedenfalls nicht, solange der Sturm uns um die Ohren heult.«
Bruder Willibrod neigte den Kopf. Er schien innerlich mit sich zu ringen. Schließlich siegte die Logik.
»Ich bringe euch zu den Gästezimmern quer über den Hof. Macht euch erst einmal frisch. Dann wird der Abt dich sicherlich sprechen wollen, Bruder Eadulf. Er wird wissen wollen, welche Botschaft du für ihn aus Canterbury hast.«
»Botschaft?« fragte Eadulf verblüfft.
»Du bist doch ein Abgesandter von Erzbischof Theodor von Canterbury. Abt Cild wird hören wollen, wozu Theodor dich hergeschickt hat, und dir viele Fragen stellen.«
Eadulf hatte Theodors Namen nur benutzt, um Einlaß in die Abtei zu finden, und merkte nun, daß sein Bluff geplatzt war.
»Also, zuerst einmal …«, setzte er an.
»Zuerst einmal bringe ich euch zu den Gästeräumen«, erklärteBruder Willibrod rasch, wandte sich um und ging mit schnellen Schritten über den Hof. Sie mußten fast laufen, um mit ihm mitzuhalten. Er bewegte sich mit erstaunlicher Sicherheit für einen Einäugigen. Sein Tempo war so, daß sie kaum Atem fanden, etwas zu sagen, bis der hochgewachsene
dominus
vor einer Tür stehenblieb und sie für sie öffnete.
»Wartet hier!« wies er sie
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