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Verneig dich vor dem Tod

Verneig dich vor dem Tod

Titel: Verneig dich vor dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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dabei hin und her. Unter der Schneeschicht lag blankes Eis. Der Wind blies ganze Wolken von Schnee über den Wagen, so daß man kaum etwas erkennen konnte. Mehrmals mußte Mul absteigen und seine kräftigen kleinen Maultiere führen, wobei er erst den Weg ertasten mußte, ehe er weiterging.
    Ab und zu stieg auch Eadulf vom Wagen und half dem Bauern, denn er fürchtete, eins der Maultiere könnte stürzen und sich ein Bein brechen. So schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis sie die Holzbrücke erreichten, die den Fluß überspannte. An den Ufern des Flusses hatten sich unregelmäßigeEiskanten gebildet. Er wäre zugefroren, wenn nicht die starke Strömung in der Mitte es verhindert hätte.
    Wenigstens war die Brücke ziemlich frei, denn der Wind fegte den Schnee von den hölzernen Planken und fand nichts, gegen das er ihn auftürmen konnte. Mul führte die Maultiere hinüber und hielt dann an.
    Er kniff die Augen zusammen, um sie vor den Eiskörnern zu schützen, streckte den Arm aus und rief Eadulf zu: »Sieh mal! Dort ist das Licht der Abtei. Noch ein paar hundert Schritte, und wir sind am Tor. Bis dahin bringe ich euch, dann verlasse ich euch.«
    »Das solltest du dir noch einmal überlegen, Mul«, erwiderte Eadulf, der das anhaltende Schneetreiben beobachtete. »Der Weg zu deinem Hof wird noch schwierig, und ich bin nicht mehr dabei, um dir zu helfen.«
    »Ich hab’s bis hier geschafft, Eadulf von Seaxmund’s Ham, und den Rest schaffe ich auch noch.«
    Der Wagen zog wieder an, und diesmal schien es nur noch ein kurzes Stück auf der gewundenen, von Bäumen geschützten Straße bis zu den dunklen Mauern der Abtei zu sein. Außen an dem mächtigen Holztor schwang eine Sturmlaterne im Wind hin und her.
    »Wir sind da, Fidelma«, rief Eadulf, nahm ihre Taschen und warf sie vom Wagen herunter.
    Fidelma hatte sich aus ihren Pelzen gewunden und stand im Wagen. Mißbilligend starrte sie auf die düsteren, schweren grauen Steinmauern.
    »Das sieht mehr nach einer Festung aus als nach einem Haus Gottes.«
    Eadulf nickte. »Das kommt wahrscheinlich daher, daß es zugleich Festung und geistiges Zentrum ist. In unsererGesellschaft gibt es noch viel Gewalt, Fidelma. Unser Königreich leidet oft unter Überfällen aus Mercia und sogar aus West-Sachsen.«
    »Ich habe die Werke von Gildas gelesen«, antwortete sie ernst, »in denen er beschreibt, wie eure Völker vor mehr als zweihundert Jahren in diese Insel einfielen und die Briten vertrieben oder niedermachten. Das ist keine erfreuliche Geschichte. Eure Völker leben immer noch im Streit. Wenn sie nicht mit den Briten kämpfen, führen sie untereinander Krieg.«
    »Es ist keine erfreuliche Welt«, verteidigte sich Eadulf. »So war es schon immer. Alle Völker führen Krieg. Unsere Götter sind Kriegsgötter.« Dann begriff er, was er da gesagt hatte, errötete und war froh, daß der Schnee seine Verwirrung verbarg. »Ich meine, das war unsere Einstellung, bevor das Wort Christi zu uns kam.«
    Fidelma trat an den Rand des Wagens.
    »Das Wort Christi ist gekommen, und eure Völker kämpfen immer noch«, bemerkte sie spöttisch. »Vielleicht kämpfen sie sogar mit größerer Lust als zuvor, weil oft jede Seite behauptet, von Christus unterstützt zu werden. Mein Volk hat ein Sprichwort: Wer meint, Krieg bringe eine Lösung, der soll Krieg führen. Ein Krieg macht nur den Sieger grausam und den Besiegten rachsüchtig. Nun hilf mir herunter, Eadulf.«
    Eadulf reichte ihr die Hand und half ihr absteigen.
    Mul hatte geduldig auf seinem Kutschbock gewartet.
    »Ich mach mich jetzt auf den Weg«, rief er ihnen zu.
    Eadulf ging zu ihm und holte aus seiner Geldtasche am Gürtel eine Münze hervor.
    »Wir hatten uns auf einen Penny geeinigt, Mul.«
    Er reichte ihm die Münze, und der Bauer nahm sie bereitwillig an.
    »Möge Wotan euch vor euren Feinden beschützen«, rief er. »Möge Thunors Hammer alle zerschmettern, die euch übelwollen!«
    »
Vade in pace,
gehe in Frieden!« erwiderte Eadulf, als der Wagen in die wirbelnden Wolken von Schnee eintauchte.
    »Wie hat ihn der Gastwirt genannt? Den verrückten Mul?« fragte Fidelma, während sie dem verschwindenden Wagen nachschauten. »Ich würde ihn nicht als verrückt bezeichnen. Eher verbissen. Die Natur hat einen zähen Gegner in einem Mann, der ihr derartig trotzen kann.«
    Eadulf hob ihre Taschen von dem schneebedeckten Boden auf und wandte sich dem großen dunklen Tor der Abtei zu.
    »Da scheint sich nichts zu rühren«, stellte

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