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Verneig dich vor dem Tod

Verneig dich vor dem Tod

Titel: Verneig dich vor dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hatte die Sumpfmeise aufgeschreckt, und dann sah Eadulf, was es gewesen war. Ein Rohrweihenweibchen, zu erkennen an seinem großen dunkelbraunen Körper und den hellbraunen Schultern und Kopf, war auf Beutejagd. Der Greifvogel ernährte sich von kleinen Vögeln ebenso wie von Mäusen und anderen kleinen Säugetieren.
    Eadulf hoffte, die Sumpfmeise würde ihrem hungrigen Verfolger entkommen.
    Er wußte, daß er nun dicht am Meer war. Er spürte den Salzgeruch in der Luft und sah, daß der Schnee hier dünner lag, weil die Heide in Sanddünen und Kiesstrand überging. Dahinter war die lange Linie des Meereshorizonts auszumachen in dem Grau, zu dem Himmel und Wasser verschmolzen. Hier und da wuchsen kleine Sanddornbüsche in den Dünen. Eadulf fiel auf, daß sie noch einige der orangeroten Beeren trugen, die er als Kind für seine Mutter gesammelt hatte, die Marmelade daraus kochte.
    Ein Stück weit vor sich sah er einen kleinen Landvorsprung, eine grasbewachsene Erhebung, die wie ein bescheidenes Vorgebirge aus einer dicht bewaldeten Gegend heraustrat und sich zu einer Spitze erhob, von der das Land an allen Seiten außer der Landverbindung wie in winzigen Klippen zum Meer hin abfiel. Es bildete eine kleine Halbinsel. Eadulf vermutete, daß er von diesem Punkt aus wahrscheinlich weit über das Moorland blicken und den Abt und seine Brüder erspähen könnte.
    Er lenkte das Maultier auf den Wald zu. Sollte er von diesem Aussichtspunkt aus Abt Cild und seine Leute nicht sehen können, überlegte er, dann müßte er wohl zur Abtei zurückkehren. Falls Abt Cild Aldhere ergreifen sollte, hatteer eigentlich dabei sein wollen, um zu hören, was dieser dazu sagte, daß man ihn des Mordes an Bruder Botulf beschuldigte. Er wollte dafür sorgen, daß Gerechtigkeit geübt würde. Doch diese Gelegenheit hatte er offenbar verpaßt, und er war sich sicher, daß der Abt keine weitere Einmischung von seiner Seite hinnehmen würde.
    Eadulf ritt durch das Wäldchen auf die kleine Landzunge zu. Als er aus seinem Schutz herauskam, erblickte er etwas, was ihn die Zügel so scharf anziehen ließ, daß sein Reittier unwillig schnaubte und mit den Vorderhufen aufstampfte. In Lee der Landzunge lag ein angelsächsisches Langschiff am Ufer, und etwa zwanzig Leute wimmelten darum herum. Seine Bauart und seine Wimpel ließen erkennen, daß es nicht aus dem Land der Ost-Angeln stammte, sondern vom Land der Ost-Sachsen kam. Das große Segel trug das Sonnensymbol des Gottes Thunor, das Kreuz mit den gebogenen Armen.
    Jemand stieß einen Ruf aus, als man Eadulf bemerkte, und einige Männer stürmten mit gezogenen Schwertern den felsigen Abhang hinauf, auf dem er überrascht hielt. Bevor er reagieren konnte, vernahm er ein Zischen in der Luft. Mehrere Pfeile pfiffen an ihm vorüber, aber sie waren nicht auf ihn gezielt. Sie waren hinter ihm abgeschossen worden, und zwei von ihnen fanden ihre Ziele unter den heraneilenden Kriegern. Diese brachen mit Schmerzensschreien zusammen, und die anderen blieben verstört stehen.
    Eadulf war verwirrt. Er fand sich plötzlich von mehreren Kriegern umringt, deren Bogen tödliche Geschosse auf die Männer vom Langschiff hinabsandten. Einer von ihnen griff in die Zügel des Maultiers, ein untersetzterMann mit einer wirren gelben Mähne und einem Grinsen, das schwarze Zähne bloßlegte.
    Eadulf sah, wie die Männer unten zu ihrem Langschiff rannten und ihre Verwundeten mit sich trugen oder schleppten. Andere schoben in wilder Hast das Schiff ins Wasser. Um ihn herum wurden noch mehr Pfeile abgeschossen, doch sie trafen keine menschlichen Ziele mehr, wenn sich auch ein paar davon in die Planken des Schiffs bohrten. Die fliehenden sächsischen Krieger kletterten an Bord des auf den Wellen schaukelnden Schiffs, andere zogen rasch unter Rufen und Fluchen an den Leinen und Tauen, bis das große Segel den von Land wehenden Wind einfing.
    Nun jagte das Schiff schnell davon, umrundete die Halbinsel und kam außer Sicht.
    Ein hochgewachsener Krieger, anscheinend der Anführer der Schar, die den Angriff auf die Sachsen unternommen hatte, steckte sein Schwert ein und betrachtete Eadulf mit leichter Belustigung. Er war eher drahtig als muskulös, und eine tiefe Narbe lief über eine Wange. Seine dunklen Augen glühten und funkelten von innerem Feuer. Die Narbe verzog seine schmalen Lippen zu einem ständigen spöttischen Lächeln. Sein Gesicht kam Eadulf irgendwie bekannt vor, doch war er sich sicher, diesen Mann noch nie gesehen

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