Verneig dich vor dem Tod
zu haben. Seine gebräunte Haut zeugte von einem Leben im Freien. Er war dunkel gekleidet, in schwarz gefärbte Wollsachen. Nur seine Lederjacke war mit glänzenden runden Metallplatten besetzt, die als Körperpanzer dienten. Er trug einen runden Schild und einen einfachen konischen Helm ohne Zier.
»Wen haben wir denn hier? Einen von Cilds übler Brut, wie es aussieht?«
Eadulf runzelte ärgerlich die Stirn.
»Was soll das heißen?« fragte er. »Erhebst du die Hand gegen einen Mönch?«
Der Krieger lachte und wies mit einem Kopfnicken auf seine Gefährten.
»Ich hätte gedacht, daß ein Mann von solch edler Bildung wie du zu der Schlußfolgerung gelangt wäre, daß wir gerade dein heiliges Leben vor den Ost-Sachsen gerettet haben. Sehr dankbar scheinst du nicht dafür zu sein.«
»Warum sollten die Ost-Sachsen mir das Leben nehmen?« wollte Eadulf wissen und versuchte, auf den scherzhaften Ton des anderen einzugehen, was ihm freilich nicht gelang. »Und warum solltest du es retten wollen?«
Der hochgewachsene Mann kniff die Augen zusammen und musterte Eadulf genauer. Das Lächeln blieb auf seinem Gesicht.
»Wie heißt du, Bruder? Ich kann mich nicht erinnern, dich schon mal in Cilds verfaulendem Steinhaufen gesehen zu haben. Bist du neu in dieser Gegend?«
Der Mann sprach mit einer lockeren Vertraulichkeit, die Eadulf reizte.
»Ich bin erst vor kurzem aus Canterbury hierhergekommen, und davor war ich über ein Jahr im Ausland. Aber ich bin …«
»Das ist Eadulf von Seaxmund’s Ham!«
Einer aus der Schar unterbrach ihn mit diesem Ruf und trat näher heran.
Der hochgewachsene Mann drehte sich zu ihm um, und Eadulf tat es ihm gleich und versuchte zu erraten, wer der schäbig gekleidete Bursche war.
»Du kennst ihn, Wiglaf?«
Der kleine, stämmige Kerl mit braunem Haar nickte eifrig.
»Er war der
gerefa
von Seaxmund’s Ham. Ich kenne ihn gut. Er hat mir einmal zwölf Hiebe mit der Birkenrute wegen Diebstahl aufgebrummt.«
Mit gespieltem Ernst wandte sich der Anführer wieder an Eadulf.
»Stimmt das? Du hast den armen Wiglaf bestraft?«
Eadulf verzog das Gesicht.
»Das kann ich weder bejahen noch verneinen«, erklärte er ausweichend. »Ich erkenne ihn nicht wieder.«
Der Mann namens Wiglaf trat auf Eadulf zu und grinste ihn an.
»Damals hatte ich noch keinen Bart,
gerefa,
denn ich war sehr jung, aber die Rute hat so gezogen, daß ich’s noch Jahre gespürt habe.«
»War das Urteil gerecht, Wiglaf?« unterbrach ihn der Anführer in humorvollem Ton.
Der braune Mann lachte. »Das war es. Ich hatte einer alten Witwe einen Topf Honig geklaut. Der
gerefa
hatte recht.«
Eadulf gab es auf, sich an den einstigen Honigdieb zu erinnern. Er hatte in seiner Zeit als
gerefa
viele solcher Strafen angeordnet.
»Jetzt kennst du mich, aber ich kenne dich nicht«, wandte er sich trotzig an den Anführer. Dieser lächelte immer noch.
»Ich heiße Aldhere, und dies sind einige meiner Männer.«
Eadulfs Augen wurden größer. Der hochgewachsene Krieger bemerkte seine Überraschung und schmunzelte belustigt.
»An deiner Reaktion sehe ich, daß du schon von mir gehört hast, heiliger
gerefa
.«
»Allerdings«, gestand Eadulf, »und zwar von Abt Cild.«
Aldhere lachte schallend, als habe Eadulf etwas wirklich Komisches gesagt.
»Ich glaube kaum, daß du von diesem Sohn einer Teufelin irgend etwas Gutes über mich vernommen hast. Bist du Mitglied von Cilds kleiner Brut von Schädlingen geworden?«
Eadulf schüttelte den Kopf. »Ich halte mich mit meiner … mit einer Gefährtin für ein paar Tage in Aldreds Abtei auf, bevor wir nach Seaxmund’s Ham weiterreisen. Ich war mehrere Jahre aus dieser Gegend fort.«
Der Anführer der Geächteten blieb anscheinend gelassen und beinahe freundlich, während er diese Auskunft überdachte.
»Dann, heiliger
gerefa,
würde ich dir raten, dieses nach Fäulnis stinkende Rattennest, das Aldreds Abtei darstellt, so schnell wie möglich zu verlassen.«
»Weshalb sagst du das?«
»Weil es ein übler Ort ist, ein Ort, den man meiden sollte. Abt Cild ist ein böser Mensch.«
Plötzlich fielen Eadulf die Worte des »verrückten« Mul ein. Der hatte die Abtei auch einen Ort des Bösen genannt. Es wurde Zeit, daß er eine Erklärung dafür bekam.
»Ich hätte dich gern allein gesprochen, Aldhere.«
»Dann reite mit uns zu unserem Lager, und wir unterhalten uns unterwegs.«
Eadulf zögerte und entschied sich für Aufrichtigkeit.
»Ist dir klar, daß Abt Cild und mehrere
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