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Verneig dich vor dem Tod

Verneig dich vor dem Tod

Titel: Verneig dich vor dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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überrascht nachschauen konnte.
    Während er noch dastand, kam der junge Bruder Redwald mit zwei Eimern Wasser für die Gästezimmer um die Ecke.
    »Guten Morgen, Bruder Eadulf«, grüßte er unsicher. »Kann ich irgend etwas für dich oder für Schwester Fidelma tun?«
    »Vielen Dank«, antwortete Eadulf düster. »Ich glaube, alles Nötige wird schon getan.« Er wollte bereits weitergehen, da fiel ihm etwas ein, und er fuhr fort: »Du könntest mir sagen, wo ich Bruder Osred finde. Ich wollte gestern abend mit ihm sprechen, bekam aber keine Gelegenheit dazu.«
    »Bruder Osred? Der Schmied?« Bruder Redwald kniff nachdenklich die Lippen zusammen. »Ich glaube, der ist mit den andern fort.«
    Eadulf runzelte die Stirn. »Fort mit den andern? Was soll das heißen?«
    »Vor kurzer Zeit hat Abt Cild eine kleine Schar von Brüdern hinausgeführt. Sie wollen ins Moorland und den Geächteten Aldhere aufspüren.«
    »Was?« Eadulf fiel ein, daß er sich gelobt hatte, Cild zu begleiten, um dafür zu sorgen, daß so etwas wie Gerechtigkeit geübt würde, falls der Abt den Geächteten ergreifen sollte. Im nächsten Augenblick rannte Eadulf hinter Bruder Willibrod her.

KAPITEL 6
    Der traurige Ruf einer einsamen Rohrdommel veranlaßte Eadulf, das Maultier zu zügeln, das er ritt, und sich enttäuscht umzuschauen. Ein Stück weit vor sich sah er den Vogel in seinem schwarz und braun gestreiften Federkleid vorsichtig an den wogenden Halmen des Schilfs herumturnen, sich an ihnen mit den Krallen emporziehen, um das umgebende Gelände zu überblicken. Dann hatten seine hellen Augen Eadulf erspäht, und er verschwand im Schutz der Pflanzen.
    Nur wenige Monate zuvor, das wußte Eadulf, hätte dieses hohe Schilf ein wildes dramatisches Bild vor dem sturmerfüllten Himmel geboten, ein Bild, das ihn durch seine Schönheit bezaubert hätte. Doch jetzt trugen die Halme keine Blütenstände mehr und waren gebeugt von der Last des Schnees, niedergedrückt durch das kalte Frostwetter. Das war jedoch nur eine vorübergehende Vorstellung, denn wichtigere Dinge beschäftigten ihn.
    Eadulf mußte sich eingestehen, daß er sich verirrt hatte.
    Er hatte Bruder Willibrod überreden können, ihm eins der wenigen in den Ställen der Abtei verbliebenen Maultiere zu leihen, damit er Abt Cild und dem halben Dutzend bewaffneter Mönche, die dieser bei sich hatte, nachreiten konnte. Er hatte dem
dominus
eingeredet, Abt Cild habe das Angebot seiner Begleitung angenommen und wohl nur vergessen, auf ihn zu warten.
    »Ich kann sie leicht einholen«, hatte Eadulf Bruder Willibrod versichert. »Ich folge ihren Spuren im Schnee.«
    Der
dominus
hatte ihn ziehen lassen, doch äußerst widerwillig. Sein Widerwille war berechtigt, denn Eadulf hattenicht bedacht, daß der Schnee trocken und pulvrig war und der Wind in Stößen darüberfuhr und ihn hierhin und dorthin blies. Er war noch nicht weit von der Abtei entfernt, als er feststellen mußte, daß der Wind alle Spuren von Abt Cild und seinen Männern verweht hatte.
    Nun hätte Eadulf umkehren sollen, doch seine Hartnäckigkeit trieb ihn weiter, seine Entschlossenheit, die ihm oft half, Widerstände zu überwinden. Er gab dem Maultier die Sporen, wenngleich ohne große Zuversicht. Es war ein kräftiges, starkbeiniges Tier, das an hartes Winterwetter gewöhnt war, doch ebenso bekannt war für seine Hartnäckigkeit, die der Eadulfs gleichkam. Und Eadulf gab bereitwillig zu, daß er sich in keinem Sattel wohl fühlte. Ihm ging es nicht so wie Fidelma, die reiten beinahe eher als laufen gelernt hatte. Er war unsicher und wußte, daß die Tiere seine Unsicherheit spürten, vor allem dieses muskelbepackte Maultier.
    Trotz der dichten Schneedecke merkte Eadulf, daß er sich jetzt im Moorland befand und die Küste nicht weit entfernt war. Er war nahe dieser Gegend aufgewachsen, hatte sich aber nie in sie hineingewagt. Diese Landschaft mit den kleinen Bächen und Lagunen, dem Mischwald und den Strecken von jetzt unter dem Schnee verborgenem Heideland darin, das alles war typisch für die flachen Marschen, die den Küstenstreifen des Königreichs der Ost-Angeln bildeten. Doch es gab keine Spuren, denen er folgen konnte, nichts Greifbares, keine markanten Punkte, an denen er sich zu orientieren vermochte.
    Aus der Nähe kam ein scheltendes »Ziepdidididi«, flog dicht an seinem Kopf vorbei und verklang in der Ferne. Er erhaschte gerade noch einen Blick auf eine winzigeweißbraune Gestalt mit schimmerndem schwarzem Kopf. Etwas

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