Verneig dich vor dem Tod
zurückfallen.
Eadulf brachte ihr einen Becher kaltes Wasser, und sie leerte ihn dankbar.
»Wie fühlst du dich jetzt?« fragte er.
»Schrecklich. Wie krank war ich?«
»Ziemlich krank.« Er legte ihr die Hand auf die Stirn. »Wenigstens ist das Fieber jetzt vollständig weg.«
»Mein Hals fühlt sich furchtbar rauh an.«
»Du hattest hohes Fieber, aber du hast es überstanden,
Deo gratias
.«
»Sind wir noch in der Abtei?«
Ihre Augen waren klar, und sie nahm ihre Umgebung wahr.
»Ja.«
»Wie lange war ich abwesend?«
»Erinnerst du dich daran, daß du heute morgen aus dem Fieber erwachtest und mir dieselbe Frage stelltest?«
Fidelma dachte nach und lächelte.
»Ja. Sind wir erst zwei Tage hier?«
»Es ist kurz nach dem Mittag des Tages, an dem dein Fieber nachließ. Jetzt mußt du dich ausruhen, dich entspannen und Kraft gewinnen.«
Fidelma nickte langsam. »Und du hast mich die ganze Zeit gepflegt?«
»Ja. Der Apotheker der Abtei, Bruder Higbald, half mir dabei.«
Fidelma überlegte. »Ich dachte, ich hätte dir vorher noch eine Frage gestellt … über etwas, was mich beunruhigte.« Sie hielt inne. »Ach, ja. Ich empfand so etwas wie Feindschaft, während ich krank lag. Von Leuten, die …«
Eadulf unterbrach sie. »Hab Geduld. Sobald du es vertragen kannst, gebe ich dir einen Überblick über die Ereignisse seit unserer Ankunft. Sie sind nicht angenehm.«
Fidelma betrachtete ihn mit einem schwachen Lächeln.
»Es geht mir schon ganz gut«, antwortete sie ruhig. »Erzähl mir, was dich bedrückt.«
Eadulf begann zu berichten, erst langsam, dann mit mühsam beherrschter Bewegung, als er auf die verbohrte Haltung Abt Cilds zu sprechen kam.
Fidelma lag still da und hörte ihm zu. Sie brauchte ihn nicht zu unterbrechen, denn Eadulf verstand es, die Ereignisse ausgezeichnet wiederzugeben, ohne eine Einzelheit auszulassen.
Dem Schluß seiner Erzählung lauschte sie mit finsterem Gesicht.
»Also soll ich den Ängsten dieses seltsamen Abts geopfert werden? Cild heißt er?«
»Dazu wird es nicht kommen. Ich habe den Plan, dich von hier fortzuschaffen, sobald du dich dazu in der Lage fühlst.«
Fidelma verzog spöttisch das Gesicht.
»Ich glaube, die Vorstellung, mit dem Gesicht nach unten feierlich lebendig begraben zu werden, wird meine Gesundheit sehr schnell verbessern und meinen Elan wieder aufleben lassen.«
Eadulf schaute sie mitfühlend an. »Der Nachteil liegt darin, daß es nicht mehr schneit und der Himmel klar ist, was bedeutet, daß strenger Frost herrscht. Es wird ein langer Weg, ganz gleich, in welche Richtung wir gehen.«
Fidelma war anscheinend mit den Gedanken woanders, denn sie fragte: »Du bist ganz sicher, daß du diese Frau gesehen hast, die sie für Gélgeis halten?«
»Absolut sicher«, antwortete Eadulf. »Sie war so wirklich und greifbar wie du und ich.«
»Dann muß das Offenkundige auch wahr sein. Es gibt eine wirkliche Frau in dieser Abtei. Hat man schon nach ihr gesucht?«
Eadulf lächelte nachsichtig und schüttelte den Kopf.
»Man ist ziemlich in Aufregung wegen der angeblichen Geister. Nur Bruder Higbald, der Apotheker, scheint normal zu sein und sieht die Sache einigermaßen rational.«
»Besteht denn keine Möglichkeit, die Angelegenheit zu untersuchen?« forschte Fidelma.
»Überhaupt keine. Mit Abt Cild ist nicht leicht umzugehen. Seine Machtstellung hier scheint absolut zu sein. Er hat sich bereits seine Meinung gebildet.«
»Ich habe keine Lust, ein Opfer seiner Furcht und Unwissenheit zu werden. Aber nach dem, was du sagst, Eadulf, verbirgt sich hier ein großes Geheimnis. Anscheinend hatte dein Freund Botulf einiges davon entdeckt, und deshalb mußte er sterben.«
»Bevor diese Geisterfurcht aufkam, wollte ich Garb in Tunstall aufsuchen, wo er sich meiner Meinung nach versteckt hält. Er oder sein Vater könnten vielleicht etwas zur Lösung beisteuern.«
Fidelma nickte beifällig. »Eine gute Art des Vorgehens, Eadulf, dem stimme ich zu. Ich werde wohl bald in der Lage sein, mit eigenen Nachforschungen zu beginnen.«
Eadulf hüstelte verlegen.
»Was ist, Eadulf? Hast du etwas anderes vor?«
»Ich will dir nur sagen, daß du, abgesehen von allen anderen Überlegungen, daran denken mußt, daß du im Land der Angelsachsen bist und daß unbeschadet der Achtung, die dir auf der Synode in Whitby erwiesen wurde, das Gesetz hier deine Autorität nicht anerkennt.«
»Das verstehe ich.«
»Ich meine damit, daß Frauen bei uns nicht dieselbe Stellung
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