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Veronica beschließt zu sterben

Veronica beschließt zu sterben

Titel: Veronica beschließt zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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Interessantes fand, mit dem sie sich
hätte beschäftigen können, beschloß sie, den Artikel ganz zu
Ende zu lesen, und erfuhr: Das besagte Spiel war in
Slowenien produziert worden. Weil die Bewohner dieses
merkwürdigen Landes, das sonst keiner kannte, billiger ar-
beiteten. Vor einigen Monaten hatte die französische Produktionsfirma in einer Burg in Bled für Journalisten aus der
ganzen Welt ein Fest gegeben.
    Veronika erinnerte sich daran, daß sie etwas über dieses
Fest gehört hatte, das ein ganz besonderes Ereignis in der
Stadt gewesen war. Nicht nur, weil die Burg neu dekoriert
worden war, um ihr soweit wie möglich das mittelalterliche
Ambiente jener CD - ROM zu verleihen, sondern auch wegen der
Polemik in der lokalen Presse: Deutsche, französische,
englische, italienische, spanische Journalisten waren eingeladen worden, aber kein einziger Slowene.
    Der Korrespondent von Homme, der auf Kosten des Magazins zum ersten Mal nach Slowenien gekommen war, um
sich die Zeit damit zu vertreiben, andere Journalisten zu begrüßen und bei Gratishäppchen in der Burg angeblich interessante Dinge von sich zu geben, hatte beschlossen, sein
Thema mit einem Scherz einzuleiten, der den hochgestochenen Intellektuellen seines Landes gefallen würde. Bestimmt hatte er den Kollegen in der Redaktion diverse Lügengeschichten über Land und Leute aufgetischt und ihnen
beschrieben, wie unelegant und einfach sich Sloweninnen
kleiden.
    Das war sein Problem. Veronika war dabei zu sterben,
und eigentlich sollten sie andere Dinge beschäftigen wie
beispielsweise die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gab
oder wann man ihre Leiche finden würde. Dennoch oder
vielleicht gerade wegen der wichtigen Entscheidung, die sie
getroffen hatte, ärgerte sie der Artikel.
Sie schaute aus dem Fenster des Klosters, das auf den kleinen
Platz von Ljubljana hinaus ging. >Wenn sie nicht einmal
wissen, wo Slowenien liegt, wird Ljubljana für sie ein
Mythos sein<, dachte sie. >Wie Atlantis oder Lemurien und
die anderen versunkenen Kontinente, die die Phantasie der
Menschen beschäftigen.< Niemand auf der Welt würde einen Artikel mit der Frage beginnen, wo der Mount Ever-est
lag, auch wenn der Schreiber selbst noch nie dort gewesen
war. Dennoch schämte sich mitten in Europa ein Journalist
einer renommierten europäischen Zeitschrift nicht, eine
solche Frage zu stellen, weil er wußte, daß der größte Teil
seiner Leser tatsächlich keine Ahnung hatte, wo Slowenien
lag, ganz zu schweigen von Ljubljana, der Hauptstadt.
    Da wußte Veronika, wie sie sich die Zeit vertreiben
würde. Zehn Minuten waren schon vergangen, und sie hatte
noch keine Veränderungen in ihrem Organismus gespürt.
Die letzte Tat in ihrem Leben würde ein Brief an diese Zeitschrift sein, in dem sie erklären wollte, daß Slowenien eine
der fünf Republiken sei, die nach der Teilung des ehemaligen Jugoslawien entstanden waren.
    Sie würde den Brief als Abschiedsbrief zurücklassen und
keine weiteren Erklärungen zu den wahren Beweggründen
für ihren Selbstmord abgeben.
    Wenn dann ihre Leiche gefunden würde, sollten die Leute
ruhig denken, sie hätte sich das Leben genommen, weil eine
Zeitschrift nicht wußte, wo ihr Land lag. Sie lachte beim Gedanken, daß es in den Zeitungen zu einer öffentlichen Kontroverse kommen würde, ob die Ehre ihres Landes der
Grund für ihren Selbstmord gewesen war oder nicht. Und
sie war beeindruckt, wie schnell sie ihre Meinung geändert
hatte, denn noch wenige Augenblicke zuvor hatte sie genau
das Gegenteil gedacht, nämlich daß die Welt und geographische Probleme sie nichts mehr angingen.
    Sie schrieb den Brief. Das versetzte sie vorübergehend in
Hochstimmung und ließ sie beinah an der Notwendigkeit
zweifeln zu sterben, doch sie hatte die Tabletten nun mal
geschluckt, und das ließ sich nicht mehr rückgängig machen.
    Sie hatte durchaus schon gutgelaunte Augenblicke wie
diesen erlebt und brachte sich nicht einfach um, weil sie eine
traurige, verbitterte, ständig depressive Frau gewesen wäre.
Viele Abende war sie fröhlich durch die Straßen von Ljubljana gezogen oder hatte aus ihrem Klosterfenster auf den
beschneiten kleinen Platz mit der Statue des Dichters geblickt. Einmal war sie fast einen Monat lang auf Wolken gegangen, weil ihr ein Unbekannter auf diesem Platz eine
Blume geschenkt hatte.
    Sie hielt sich für einen vollkommen normalen Menschen.
Ihr Entschluß zu sterben hatte zwei einfache Gründe, und

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