Veronica beschließt zu sterben
die Probe stellen würden. Er legte sich
auf die Lauer, denn vielleicht war auch er, der Allmächtige
Gott, gelangweilt davon, daß alles perfekt funktionierte.
Hätte Eva nicht vom Apfel gegessen, was wäre dann in diesen
Milliarden Jahren geschehen?
Nichts.
Nachdem das Gesetz übertreten worden war, hat Gott,
der allmächtige Richter, noch eine Verfolgung inszeniert,
als kenne er nicht alle nur möglichen Verstecke. Während
die Engel zusahen und sich über den Spaß amüsierten (ihr
Leben mußte ebenfalls schrecklich langweilig sein, seit Luzifer den Himmel verlassen hatte), ging Er los. Mari stellte
sich diese Stelle in der Bibel wie einen guten Thriller vor:
Gottes Schritte, die erschreckten Blicke, die das Paar wechselte, die Füße, die plötzlich vor dem Versteck innehielten.
»Wo bist du?« hatte Gott gefragt.
»Ich habe Deinen Schritt im Garten gehört und hatte
Angst und versteckte mich, weil ich nackt bin«, hatte Adam
geantwortet, ohne zu wissen, daß er mit dieser Aussage seine
Tat gestanden hatte.
Schluß. Mit einem einfachen Trick, indem er so tat, als
wisse er nicht, wo Adam war und warum er sich auf der
Flucht befand, hatte Gott bekommen, was er wollte. Doch
damit im Publikum der Engel auch nicht der geringste
Zweifel blieb, ließ er nicht locker.
»Woher weißt du, daß du nackt bist?« hatte Gott gesagt,
weil er wußte, daß es auch auf diese Frage nur eine mögliche
Antwort gab: »Weil ich vom Baum gegessen habe, der mir
erlaubt, dies zu begreifen.«
Mit dieser Frage zeigte Gott den Engeln, daß er ein gerechter Gott war und das Paar aufgrund stichhaltiger Beweise verdammte. Von nun an war es nicht mehr wichtig zu
wissen, ob die Schuld bei der Frau lag oder daran, daß sie
um Vergebung baten. Gott mußte ein Exempel statuieren,
damit kein anderes Wesen - sei es himmlisch oder irdisch -es
wagte, Seinen Beschlüssen zuwiderzuhandeln.
Gott vertrieb das Paar, seine Kinder haben am Ende auch
für das Verbrechen bezahlt (so wie es heute noch mit den
Kindern von Straffälligen geschieht), und das Rechtssystem
wurde erfunden: Gesetz, Gesetzesübertretung (auch wenn
das Gesetz völlig unlogisch und absurd war), Verfahren (bei
dem der Erfahrenere den Unwissenderen besiegte) und
Strafe.
Da die ganze Menschheit ohne Recht auf Berufung verurteilt wurde, beschlossen die Menschen für den Fall, daß
Gott erneut seine Willkür walten ließ, Verteidigungsmechanismen zu schaffen. Doch im Laufe der Jahrtausende
haben die Menschen so viele Rechtsmittel erfunden, daß sie
die Dosis übertrieben. Jetzt war das Rechtswesen nur noch
ein Durcheinander von Klauseln, von Jurisprudenz, widersprüchlichen Texten, die niemand mehr recht verstand.
Und zwar so wenig, daß, als es Gott sich anders überlegte
und Seinen Sohn auf die Welt schickte, um die Welt zu retten,
dieser in die Maschen des Gesetzes geriet, das Er erfunden
hatte.
Das Durcheinander von Gesetzen führte dann dazu, daß
der Sohn am Kreuz endete. Es war kein einfacher Prozeß:
von Anas zu Caifas, von den Priestern zu Pilatus, der behauptete, im Codex Romanum nicht genügend Gesetze zu
haben. Von Pilatus zu Herodes, der seinerseits behauptete,
daß das jüdische Gesetz das Todesurteil nicht erlaubte. Von
Herodes wieder zu Pilatus zurück, der noch einen Ausweg
suchte, indem er dem Volk einen gerichtlichen Vergleich anbot:
Er ließ Christus peitschen und zeigte seine Wunden, doch es
funktionierte nicht.
Genau wie ein Staatsanwalt heute beschloß Pilatus, sich
auf Kosten des Verurteilten zu profilieren: Er bot an, Jesus
gegen Barabbas einzutauschen, weil er wußte, daß die Justiz
jetzt zu einem großen Spektakel geworden war, das als
Krönung den Tod des Angeklagten brauchte.
Schließlich benutzte Pilatus den Artikel, der den Zweifel
nicht zugunsten des Angeklagen anwandte, sondern zugunsten des Richters. Er selbst blieb neutral, was »weder ja
noch nein« hieß. Das war ein weiterer Kunstgriff, um das
römische Rechtssystem zu wahren, ohne die guten Beziehungen zu den lokalen Richtern aufs Spiel zu setzen, indem
das Volk das Urteil fällte. Damit war er fein raus, falls das
Urteil zu Problemen führte und irgendeinen Inspektor aus
der Hauptstadt des Reiches auf den Plan rief.
Gerechtigkeit. Gesetz. Es brauchte beide, um die Unschuldigen zu schützen, aber beide konnten es nicht immer
allen recht machen. Mari war froh, fern von all diesem
Durcheinander zu sein, wenn auch heute abend bei den
Klavierklängen nicht
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