Verräter der Magie
fragen, was denn los sei, doch bevor sie auch nur den Mund aufmachen konnte, wandte sich Titania wieder von ihr ab.
Mit entschlossener Miene befahl sie: »Pooka, bring sie weg!«
Ehe Kira sichs versah, verwandelte sich ihr Spielgefährte in einen riesigen Greifvogel. Noch nie hatte er eine so große Gestalt angenommen. Staunend betrachtete sie seine majestätischen Schwingen. Die Flügel weit ausgebreitet flog er auf sie zu und schloss seine gewaltigen Krallen um ihre Oberarme.
Kira schrie vor Schreck und Schmerz, als sie plötzlich in die Luft gerissen wurde. Weg von ihrer Mutter und einer Gefahr, die sie nicht verstand.
»Sei leise!«, warnte Pooka sie und sie verstummte.
Mit Tränen in den Augen blickte sie hinab auf die Lichtung mit der Hütte, in der sie die letzten Jahre gelebt hatten. Erhaben und stolz wie immer stand ihre Mutter davor. Sie bewegte sich nicht ein Stück, als mehrere Männer und Frauen aus dem Gebüsch auf sie zutraten. Es waren bloß Menschen, stellte Kira verächtlich fest. Sie hoben die Hände und richteten sie auf Titania.
Kira hörte das Summen der Magie, als ihre Mutter einen mächtigen Zauber webte. Es schwoll an, wurde immer stärker und lauter. In Erwartung des Grauens, das dort unten gleich über die Menschen hereinbrechen würde, hielt Kira die Luft an.
Doch nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil: Kira beobachtete, wie sämtliche Magie aus ihrer Mutter herausfloss – ein goldener Lichtstrahl, der von den Menschen gierig aufgesogen wurde. Titania fiel zu Boden, als wäre sie bloß eine Pappfigur, die eine Windböe erfasst hatte.
Kira fing wieder an zu schreien, doch bevor die Menschen zu ihr aufblicken konnten, tauchte Pooka in eine Wolke ein. Trug sie fort von dem Schauplatz des Schreckens.
»… und Titania wurde von den Magiern überrascht«, erklärte Kira mit tonloser Stimme. »Ich hatte noch nie zuvor welche gesehen, und obwohl sie mir von ihnen erzählt hatte, traf es mich dennoch eiskalt, als sie ihre Magie raubten. Sie ist daran gestorben.«
Sie verdrängte die Bilder von jenem verhängnisvollen Nachmittag, die Erinnerungen an die schlimmsten Minuten ihres Lebens. Auf keinen Fall würde sie vor Sina weinen. Stattdessen setzte sie ein kaltes Lächeln auf.
»Wussten Sie das, Sina?«, fragte sie. »Die Magier können die Túatha Dé Danann mit ihren Fähigkeiten töten. Wir bestehen aus mehr Magie als alle anderen, und wenn wir zu viel von ihr verlieren, vergehen wir.«
Kira hielt sich im Grunde für eine der Guten, deswegen beschämte es sie, wie genüsslich sie Sinas erbleichtes Gesicht in sich aufnahm und wie sehr sie sich an ihrer Furcht labte.
»Aber wie ist das möglich?«, fragte die Feenkönigin nach Fassung ringend, während ihre spitz gefeilten Fingernägel unruhig auf den Tisch trommelten. Sie bemerkte nicht einmal mehr, wie Pooka sich über die Reste auf ihrem Teller hermachte. »Wie schaffen es ein paar einfache Magier, ihre ganze Magie in sich aufzusaugen? So viel können sie doch gar nicht halten.«
»Oh, einer allein ganz sicher nicht, aber zwanzig gut ausgebildete Magier können selbst so mächtige Wesen wie Sie innerhalb weniger Sekunden leer saugen«, sagte Kira, die Stimme zu einem Flüstern gesenkt. »Wir bevorzugen zwar so zu denken, aber wir sind nicht unsterblich.«
»Genug!«, fauchte Sina und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Eine sehr undamenhafte Geste, die Kira mit einem zufriedenen Lächeln quittierte. »Genug von diesem Geschwafel! Lasst uns über andere Dinge reden. Dalziel! Wieso höre ich keine Musik?« Und damit schien das Gespräch zwischen ihnen erst einmal beendet.
Ein braun gescheckter Faun sprang mit seiner Panflöte auf eine kleine Bühne, wo er ein heiteres Lied anstimmte. Natürlich war die Melodie nicht mit der Geistermusik zu vergleichen, die ihre eigene Flöte hervorzubringen vermochte, doch jede Art von Sidhemusik enthielt einen gewissen Zauber.
Der lieblichen Melodie konnte kaum einer widerstehen. Viele sprangen vom Tisch auf, um zu tanzen. Ein Ausdruck tiefster Glückseligkeit machte sich auf ihren Gesichtern breit. Nur wenige schafften es, sitzen zu bleiben. Unter ihnen war Ares, der sie grimmig über den Rand seines Glases hinweg anblickte, und natürlich die Sidhekönigin selbst.
Kira tat so, als würde die süße Melodie auch sie auf die Tanzfläche rufen, und flüchtete in die sich wiegende Menge. Ihr war zwar nicht nach Tanzen zumute, aber noch weniger hielt sie es in Sinas Gegenwart aus.
Sie
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