Verräter der Magie
Luft, die Handflächen ihnen zugewandt.
Sie zogen einen Schmollmund. »Ach, Evan, tu das nicht. Einem von uns warst du immer ein guter Freund. Wir wollen dir nicht wehtun.«
Evan schnaubte. »Bei euch ist jetzt aber mehr als eine Schraube locker.«
Cian und Kira lachten wieder. Sie streckten ihre imaginären Fühler nach Evan aus, tasteten nach der Magie, die kampfbereit in seinen Fingern summte, und rissen sie an sich.
Es kostete sie nicht einmal so viel Kraft wie ein Fingerschnippen, und obwohl sie bereits mit Magie vollgesogen schienen, konnten sie Evans noch mühelos in sich aufnehmen. Es war, als könnten sie alle Magie der Welt in sich tragen, als wären ihnen keinerlei Grenzen gesetzt. Bereits jetzt besaßen sie weit mehr, als Cian je für möglich gehalten hätte, und ihr Körper summte vor angestauter Magie.
Den Kopf in den Nacken geworfen, streckten sie die Arme zu beiden Seiten aus und badeten in der Magie, die sie umgab. Sie schien einfach überall zu sein. Ihr Leben lang hatten sie immer gedacht, sie stecke nur in Wesen wie den Sidhe oder den magischen Orten der Magic Centrals.
Doch sie lagen falsch. Sie versteckte sich in den Wurzeln der Bäume, tanzte mit dem Wind und schlug mit den Herzen der Menschen.
Und all das gehörte nun ihnen.
Ein merkwürdiges Geräusch riss sie aus ihrer Trance. Gereizt blickten sie sich nach dem Störenfried um. Nicht weit vor ihnen kniete Evan zusammengekrümmt am Boden und schrie.
Merkwürdig , dachten sie sich. Sie konnten sich nicht einmal daran erinnern, ihn angegriffen zu haben. Seine Schmerzen mussten sehr stark sein, denn er machte so ein lustiges Gesicht.
Und vor Evan stand ein Reh. Kein gewöhnliches, sondern eins mit rot glühenden Augen.
»Pooka!«, riefen sie selig. »Komm doch her und mach mit! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel Spaß wir haben!«
Gehorsam rannte das Reh auf sie zu. In freudiger Erwartung streckten sie ihm die Hände entgegen. Wie viel Magie würde man wohl aus einem so magischen Wesen wie Pooka ziehen können?
Doch bevor das Reh sie erreichte, sprang es in die Luft und verwandelte sich in einen majestätischen Falken. Voller Ehrfurcht sahen sie ihm nach. Vielleicht würden sie mit seiner Magie ja auch fliegen können.
Sie hatten den Gedanken noch nicht einmal zu Ende gedacht, als der Vogel seine Gestalt änderte, zu etwas Kleinem, sichtbar Schwerem wurde – und direkt auf sie zuraste.
Kira und Cian fragten sich noch, was Pooka jetzt wohl sein mochte, als ihnen der Stein auf den Kopf fiel und sie bewusstlos zur Erde sanken.
Sie befanden sich in einem Zustand zwischen Wachsein und Schlaf. Einer Art Trance, in der sie unfähig schienen, sich zu bewegen, auch nur die Augen zu öffnen. Wie durch einen dichten Vorhang vernahmen sie erregtes Flüstern.
»Und Cian steckt schon die ganze Zeit in dem Körper der Sidhe?« Eine männliche Stimme, sehr wütend. »Zur Hölle, Evan! Wie konntest du das nur vor uns verheimlichen?«
»Hättet ihr mir denn geglaubt? Außerdem wollte ich mir selbst erst mal ein Bild von der Situation machen. Tja, dann hat mich die Kleine bewusstlos geschlagen und ist mit ihm abgehauen.«
»Trotzdem, spätestens nach der Kopfgeldausschreibung hättest du uns alles erzählen müssen. Mein Gott, stell dir vor, jemand hätte sie einfach umgebracht! Nach all den Anschlägen können wir jeden Meistermagier gebrauchen. Ganz davon zu schweigen, dass Cian ein treuer Freund ist.«
»Das wollte ich doch auch«, sagte der andere beschwichtigend. »Als ich von dem Kopfgeld erfuhr, habe ich mich sofort auf den Weg ins Büro gemacht. Dann kam diese Meldung mit den Werwölfen …«
»Wie auch immer. Das Wichtigste ist, die beiden zu trennen, bevor Cian noch mehr Schaden nimmt.«
»Das sehe ich auch so. Wann kann Cedric endlich hier sein?«
Bei dem Wort »trennen« ging ein Zucken durch ihren Körper. Panik kroch ihnen die Knochen hinauf.
Nein, das durften sie nicht. Sie durften nicht zerstören, was sie …
»Sie hat sich bewegt!«, rief jemand hektisch aus. »Gebt ihr noch eine Spritze!«
Und bevor sie einen weiteren Gedanken fassen konnten, wurde die Welt um sie wieder schwarz.
Als sie das nächste Mal erwachten, schrien sie aus vollem Halse. Jemand war in ihrem Kopf. Jemand, der dort nichts zu suchen hatte.
Sie wollten um sich schlagen, den Eindringling bestrafen, ihn in Stücke reißen, damit er ihnen so etwas nie wieder antun konnte. Doch sobald sie auch nur die kleinste Bewegung machten, stießen
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