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Verräterherz (German Edition)

Verräterherz (German Edition)

Titel: Verräterherz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Julian
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wie der Sonntagsbraten, der plötzlich vom Tisch hüpft und sich zu den Essenden gesellt, um ihnen die restlichen Speisen fortzunehmen und ihnen zugleich in die Suppe zu spucken. Ja, ich denke, der Vergleich trifft es ziemlich gut. Edle Vampire haben Ahnenreihen, die so weit zurückreichen, dass es jeder Beschreibung spottet. Sie vermehren sich unter ihresgleichen – man höre und staune, durch Sex! Ich erwähnte ja schon, dass Vampire Sex haben. Die Vampire der Oberklasse haben vermutlich auch wesentlich mehr Spaß daran als ich, sind sie doch nicht gezwungen, sich so oft zu nähren, wie ich selbst es tun muss.
    Ich will damit sagen, sie haben den Kopf mehr für solche Freuden frei, während ich immer darauf bedacht sein muss, nicht zu dem Tier zu werden, für das diese edlen Herrschaften mich halten. Nur einmal möchte ich vollends gesättigt dem Sex frönen können. Ein Wunsch, ein Traum – denn entweder fehlt mir ein Opfer oder ein Sexualpartner … das ist die Realität nach all dieser Zeit. Nun gut, vielleicht könnte ich mich mehr bemühen, beides zu organisieren. Wobei sich mir die Frage stellt, was du heute noch vorhast. Ob du Mann bist oder Frau, ist – wie ich bereits erläuterte – für mich eigentlich nicht von Belang. Wohl aber ist es wichtig zu wissen, was du lieber sein möchtest – Opfer oder Sexualpartner?
    Verzeih … Verzeih mir … ich wurde aufdringlich.
    Ich werde mich nun zusammenreißen. Und sei unbesorgt, wenn hinter deinem Fenster nun ein Schatten huscht. Ich werde meine Gier woanders stillen, denn ich brauche dich noch als meinen Zuhörer, meinen Vertrauten … meinen Eingeweihten.
    Ja, ich möchte dich einweihen, darum lass uns nun mit der Geschichte fortfahren.

    ~4~

    Ich wollte von den Vampiren der Oberklasse berichten … wobei wollen nicht der richtige Ausdruck ist. Es ist vielmehr eine Unvermeidbarkeit, dass ich mich näher zu diesen selbstherrlichen Snobs auslasse, damit du meine Lage besser verstehst, in die ich geriet.
    Zwar hoffe ich, dass du mir zumindest zugestehst, dass ich ein gewisses Maß an Recht hatte, meinen Mörder hinzurichten, doch kann ich nicht verhehlen, dass es eine dumme Tat war.
    Ich glaube, ich wiederhole mich in meiner Selbstgeißelung. Mein Literat hätte mich sicher darauf aufmerksam gemacht, bevor er die Zeilen niedergeschrieben hätte … aber ich mag nichts löschen. Und für dich, lieber Leser, der du mir vielleicht nicht wohlgesinnt bist, ist es möglicherweise sogar eine Freude, wiederholt zu lesen, dass ich mich selbst der Narretei bezichtige.
    Als Morlet also starb, war ich glücklich. Doch dieses Glück währte nicht lange. Ich hatte mich nicht bemüht, Spuren zu verwischen, die Menschen zwar ohnehin verborgen bleiben würden, Vampiren jedoch nicht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis man in meinen Kreisen herausfand, wer die Taschenuhr an sich genommen hatte … und wem sie ursprünglich gehörte. Wie sieh herausstellte, war Morlet nämlich äußerst pedantisch, was die Aufzeichnung gewisser Dinge betraf. Dies betraf vor allem seine Schätze, die er in seinem Antiquitätenladen feilbot. Ein jedes Stück hatte er nach seinen eigenen Regeln in eines seiner Geschäftsbücher eingetragen. Denn nicht nur der Wert und die Beschaffenheit spielten in diesen Aufführungen eine wichtige Rolle, sondern ebenfalls die Art und Weise, wie Morlet sie erworben hatte. Jedes seiner Opfer hatte er dort festgehalten, den Zeitpunkt des Todes, den Geschmack des Blutes, die Anzahl der Herzschläge vom Öffnen der Kehlen an, bis zum letzten Schlag des Herzmuskels, dem die tödliche Stille folgte. Bei mir hatte er einen Zeitpunkt festgelegt, der natürlich falsch war, wie wir inzwischen wissen. Vielleicht unterliefen ihm auch bei seinen anderen Opfern Fehler. Bei der Menge, die sich selbst bei einem Vampir mit tadellosem Stammbaum wie ihm angesammelt hatte, wäre es nicht verwunderlich. Ebenso war es nicht weiter sonderbar, dass er meine Taschenuhr als seine Errungenschaft nicht sofort wiedererkannt hatte, denn es waren so viele Einträge in diesen Büchern, dass ich erblasst wäre, als ich sie zu lesen bekam, wäre ich nicht ohnehin bereits von sehr blasser Natur.
    Nun, für Morlets Sippe war es recht schnell offensichtlich, wer den alten Mann getötet hatte. Ich hätte einiges anders machen müssen, als ich noch die Gelegenheit dazu hatte – aber hinterher ist man meist schlauer, nicht wahr?
    Besagte Sippschaft meines Henkers nahm also meine Spur auf, sie zählte

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