Verräterherz (German Edition)
eins und eins zusammen und kam zu dem Schluss, dass ich wohl einer dieser widerspenstigen Sonntagsbraten war. Sie ließen mir eine Botschaft zukommen. Ach, was sage ich mir … jedem Vampir - ob er es hören wollte oder nicht - verkündeten sie, ich sei ein Verräterherz!
~ღ~
Vielleicht ist es an der Zeit, dir etwas genauer zu erklären, was es mit dem Begriff Verräterherz auf sich hat.
Es ist in unseren Kreisen die schlimmste und erniedrigendste Beleidigung, die man sich überhaupt vorstellen kann.
Ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber ein Mensch zu sein, ist unter Vampiren eine ziemlich eklige Vorstellung.
Ihr steht für Verfall … für Schwäche … für Unvollkommenheit.
Und was besitzt ihr Menschen im Gegensatz zu uns? Was treibt euer köstliches Blut so inständig durch euren Körper? Ein Herz, richtig! Das Herz ist es, das euch zur leichten Beute macht. Das heißt, mal salopp übersetzt, das Herz macht euch schwach. Es macht euch zum Opfer!
Vampire haben kein Herz. Sie sind stark, unsterblich und haben immer recht. Nun ja … gut, das mit dem Rechthaben war frei von mir erfunden. Aber ich habe recht, wenn ich dir nun versichere, dass man einen Vampir damit zutiefst beleidigt, wenn man ihm sagt, er habe ein Herz!
Was in euren Ohren so verklärt romantisch klingt, bedeutet bei uns, dass man es verdient hat, ein vergammelndes Stück Fleisch in sich tragen zu müssen, das irgendwann seinen Geist aufgibt und den Träger damit in Vergessenheit und in die kalte feuchte Erde zwingt, wo Würmer und Käfer so lange an ihm nagen, bis er nur noch ein Produkt in ihren Exkrementen ist.
Aus eben jenem vergänglichen und wenig appetitlichen Grund beschimpfen wir unseresgleichen damit, dass sie ein Herz hätten. In meinem Fall wurde diese Beschimpfung noch dadurch gesteigert, dass man mir nicht nur beschied, ein Herz zu besitzen, sondern mich offiziell namentlich sogar zu einem Herzen machte - einem Verräterherzen.
Nun, ich denke, den Begriff Verräter müssen wir nicht näher erörtern, da er bei euch Menschen ebenso negativ besetzt ist, wie bei uns Vampiren.
Vermutlich fragst du dich gerade, was dich dies alles angeht. Vielleicht bist du schon genervt von meiner Geschichte und möchtest dich vor den Fernseher setzen oder an deinen Computer, um darüber zu twittern, was für ein verrücktes Buch du gerade liest, und von dem du gedenkst, es gleich wieder aus deinem Gedächtnis zu löschen.
Tu dies nicht! Das Löschen meine ich, von mir aus darfst du über mich twittern. Je mehr Menschen erfahren, was ich dir hier offenbare, umso besser!
Umso besser für euch Menschen … und ja, umso besser ist es auch für mich.
Ich brauche Publikum! Nicht, um mich in dessen Aufmerksamkeit zu sonnen, sondern um Schutz zu erfahren.
Ja, ich brauche euren Schutz! Welch ein Hohn. Welch eine Schmach. Und doch ist es wahr.
Ich brauche euch … also geh nicht weg und glaube nicht, es sei nur der kalte Windhauch, der dir ab und an über die Schulter streicht.
Ich bin es … um zu sehen, ob ich dich erreichen kann.
Dass ich mich dir so sehr nähere, ohne meine Blutgier zu stillen, sollte dir zeigen, wie ernst mir mein Anliegen ist.
Ich habe gelernt, dass Menschen immer dann am besten begreifen, wenn man ihnen ein wenig über sich erzählt. Ich kenne es selbst noch ein wenig aus eigener Erfahrung, auch wenn diese Erinnerungen sehr verblasst sind. Und mir ist bewusst, dass du niemals den Wunsch verspüren würdest, mir zu helfen, wenn du nur diese erschreckenden Tatsachen über mich wüsstest. Ich trinke Blut und bringe den Tod … das ist wenig sympathisch.
Aber ich bin mehr als das! Ich bin … ein … Verzweifelter, der immer das Beste aus seiner Situation zu machen versucht.
Lass mich dir erzählen, wie ich als Vampir lebe. Es gibt so viele Geschichten über unseresgleichen in eurer Welt – im seltensten Falle von einem Vampir selbst erzählt, wenn man von einer Handvoll Ausnahmen absieht. Und ich darf dir verraten, dass diese Ausnahmen nicht etwa die Bücher verfasst haben, die ihr mit Vorliebe aus dem Regal fischt, sondern Vampire meist ausschließlich wissenschaftliche Werke erstellen, die so unspektakulär in Archiven verschwinden, dass ich mich frage, ob vielleicht eine Art Fluch auf ihnen liegt. Veröffentlicht wurde nur das, was zwar viel Information bietet, aber so lieblos in Worte gefasst wurde, dass selbst ein Vampir wie ich bei der Lektüre tausend Langeweile-Tode stirbt. Aber von schlechter Literatur –
Weitere Kostenlose Bücher