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Verräterherz (German Edition)

Verräterherz (German Edition)

Titel: Verräterherz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Julian
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und spielte mit einem Stein, der zwischen seinen Beinen lag.
    „ Ich wusste immer, dass ich eines Tages etwas erfahren werde, was niemand außer mir weiß. Und ich habe mich immer gefragt, was ich mit diesem Wissen dann anfangen werde. Wie es scheint, waren meine Grübeleien umsonst, denn ich werde mein Wissen wohl mit ins Grab nehmen. Erzähle mir … alles!“
    Bei meiner verlorenen Seele, er war mir in dem Moment so nah – nicht nur körperlich, sondern mit seinem Geist. Es war ein absolut berauschendes Gefühl, jemanden zu haben, der um mein Geheimnis wissen wollte – jemand, der Angst vor mir hatte, aber sie zu bändigen verstand und mehr erfahren wollte. Jemand, der um meine Existenz wusste und dessen rauschendes Blut mir davon kündete, dass er im Gegensatz zu mir noch ein verlockendes Leben besaß.
    José Rodriguez berührte meinen Arm und murmelte: „Du fühlst dich an wie ein Mensch. Du siehst aus wie Caviness, und du klingst so wie er. Vielleicht bin ich dir nur auf den Leim gegangen und du hältst mich zum Narren. Vielleicht hast du gehört, dass ich mit Geschichten über Seelenwanderung leicht zu beeindrucken bin. Ist es so?“
    Seine Frage nahm ich ihm nicht übel. Ich spürte, dass er wusste, dass ich ihn nicht zum Narren hielt.
    Ich atmete tief durch, wie es die Menschen gerne tun, bevor sie eine wichtige oder auch unangenehme Sache erzählen.
    „ Ich besetze Caviness Körper, und wenn du so willst, dann ist es wohl eine Seelenwanderung. Ich habe ihn getötet, weil ich hungrig war. Er war mir auf dem Markplatz aufgefallen, weil er einen jungen Händler anbrüllte und dessen Waren mit Dreck bewarf. Ich wusste nicht, was er an dem Obst auszusetzen hatte und es war mir auch egal. Es war mir überhaupt egal, welche Art von Mensch er war. Ich brauchte Nahrung und der brüllende Typ schien mir eine gute Wahl, weil sein Herz vor Wut heftig pochte und sein Blut nur so durch die Adern rauschte.“
    Ich bemerkte Rodriguez’ Blick. Seine Pupillen waren schreckgeweitet. Auch sein Blut begann schneller zu pulsieren – aus Furcht.
    „ Nahrung … sein Blut?“, echote er entsetzt.
    Warum klang es plötzlich so unwiderstehlich in meinen Ohren, wie er das Wort aussprach? Ich räusperte mich.
    „ Ja“, erwiderte ich knapp und fügte mit einem Blick über die Schlucht an: „Ich bin ein Vampir. Ich trinke Blut, um bei Kräften zu bleiben – manchmal Tierblut, aber im Normalfall nähre ich mich von menschlichem Blut.“
    Sein Herz raste nach meinen wirklich sehr knappen Ausführungen. Es schlug so panisch, dass ich einen kleinen Seufzer von mir gab.
    „ Du bist der Teufel – El Diabolo!“, entfuhr es meinem bislang recht ruhigen Begleiter heftig.
    „ Nein, der bin ich nicht. Ich bin weder der Teufel, noch der Tod. Ich bin nur einer von vielen … und kein besonders angesehener unter meinesgleichen. Aber man schlägt sich so durch“, versuchte ich einen Scherz, um Rodriguez wenigstens ansatzweise wieder zu seiner Gelassenheit zurückzuverhelfen. Nicht sonderlich erfolgreich, wie ich riechen und spüren konnte, aber immerhin sprach er nun wieder leiser.
    „ Wie alt bist du?“, fragte er, und ich merkte, dass er flacher atmete, als glaubte er, so seinen eigenen Puls daran hindern zu können, mir seinen Geruch köstlich in die Nase steigen zu lassen.
    „ Ich bin einhundertfünfundsiebzig Jahre alt“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Stille. Dann lachte er nervös. Ich biss mir auf die Lippe und spürte meine Eckzähne nur zu deutlich, weshalb ich diese menschliche Geste rasch wieder sein ließ.
    „ Wie alt kannst du werden?“, fragte er mit einem kurzen Seitenblick auf mich, bevor er seine Augen wieder auf die Dunkelheit der Schlucht richtete. Ich konnte ihn sehr gut sehen, trotz der Schwärze der Nacht. Seine Augenlider senkten sich zu häufig, die hübschen Wimpern berührten immer wieder die blass gewordene Haut. Rodriguez musste seine vollen Lippen oft anfeuchten. Er tat das mit der Zungenspitze, in dem Glauben, ich sähe es nicht. Die Verlockung, ihm in die Zunge zu beißen und sein Blut über diesen sinnlichen Weg zu mir zu nehmen, wurde so übermächtig, dass ich gequält den Blick abwandte und einen Moment brauchte, bevor ich ihm mit einigermaßen fester Stimme antworten konnte.
    „ Das weiß ich nicht. Wenn mich niemand pfählt, wird das wohl eine sehr, sehr lange Existenz werden.“
    „ Existenz“, wiederholte Rodriguez unsicher.
    „ Ja, denn Leben würde ich das nicht nennen. Ich lebe

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