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Verräterherz (German Edition)

Verräterherz (German Edition)

Titel: Verräterherz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Julian
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Menschen verschiedene Vorlieben hegt. Manche Vampire schließen sich zusammen, um gemeinsam zu jagen und sich in Blutorgien zu sättigen. Aber das steht entgegen dem Kodex. Bei einer Hinrichtung jedoch sieht das anders aus. Wenn ein Mensch vorsätzlich versucht hat, einen Vampir zu töten, dann hat er keine Gnade zu erwarten. Kein schnelles und schmerzfreies Töten, wie es normalerweise von uns praktiziert wird.“
    Ich spürte, dass die Informationen für Rodriguez langsam zu viel wurden. Er versuchte dennoch tapfer zu wirken.
    „ Das heißt, wenn ich jetzt versuchen würde, dich zu töten, dann müsste ich damit rechnen, auf diese Art … hingerichtet zu werden?“
    Ich nickte ernst. „Ja, für den Fall, dass ich dich nicht ohnehin zuerst töten würde, wäre deine Strafe für einen versuchten Mord an mir eine Blutorgie, ausgeführt von einer Gruppe von Vampiren, die es gewohnt ist, eine Tötung in die Länge zu ziehen.“
    „ Warst du selbst an so etwas mal beteiligt?“, fragte er mit rauer Stimme.
    „ Nein, nicht direkt. Ich war nur Zuschauer. Wie ich dir bereits sagte, bin ich nicht sehr angesehen unter meinesgleichen. Aber ich durfte einmal beiwohnen, wie das Ritual ausgeführt wurde, und ich wünschte mir damals, meinem eigenen Mörder würde eine solche Qual zuteil. Aber er war ein Vampir, und Vampire würden so etwas einander niemals antun … Egal, ob gut angesehen oder nicht, wir sind eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig schützt.“
    Als ich Rodriguez das damals erzählte, ahnte ich noch nicht, dass ich knapp achtzig Jahre später kein schützenswertes Mitglied der Vampirgemeinschaft mehr sein würde und man durchaus nicht abgeneigt war, mich dem gleichen Ritual zu unterziehen. Nur, dass bei mir zweifelsohne die Pfählung am Ende der Qualen stünde, die mich endgültig aus der Gemeinschaft verbannen würde, indem man meine Existenz auslöschte.
    Wie schon gesagt, wusste ich damals ja noch nichts davon und war erstaunt, wie ruhig Rodriguez plötzlich wieder wurde.
    „ Ich hatte nicht vor, zu versuchen, dich zu töten“, sagte er. Ich ließ mir einen Moment Zeit, dann erwiderte ich sanft: „Das weiß ich. Sag, hat sich das Wissen gelohnt, das du nun erlangt hast, um dafür zu sterben?“
    Kurz wallte Hoffnungslosigkeit in ihm auf, die rasch der Erkenntnis Platz machte, dass er dem allen zugestimmt hatte.
    „ Ich glaube, das hier ist mein Schicksal. Sonst wären wir nicht heute in der Bar aufeinandergetroffen. Ich hatte gar nicht kommen wollen. Aber irgendwas trieb mich dorthin. Und jetzt werde ich ausgerechnet hier sterben … Hier an diesem Platz, an dem ich noch vor drei Tagen ein junges Mädchen geliebt habe. Sie fragte mich gestern, ob ich erneut mit ihr hierher gehen würde. Ich wollte mich morgen mit ihr treffen. Ihr Name ist Shania. Ich mag sie wirklich sehr. Ich möchte sie nicht erschrecken. Könntest du mir also bitte versprechen, dass du mich nicht einfach hier liegen lässt, damit sie mich nicht findet?“
    Musste er mir den Vornamen des Mädchens unbedingt nennen, und sie auf diese Art so wirklich machen? Ich seufzte gequält auf. Und zugleich verstand ich ihn ja, den jungen und offenbar frisch verliebten José. Vielleicht hatte er erst durch die Aussicht auf seinen Tod vollständig begriffen, wie viel diese Shania ihm bedeutete.
    Er war so rührend in seiner Sorge um sie, dass es mir die geliehene Kehle zuschnürte. Und plötzlich war ich ihn leid, diesen Körper des Mexikanerhassenden Ranchers. Ich erhob mich schnell und sorgte mit dieser raschen Bewegung dafür, dass Rodriguez, der immer noch auf eine Antwort wartete, heftig zurückzuckte. Dennoch floh er nicht. Er wusste, dass er ohnehin keine Chance hatte und fragte: „Tust du es jetzt? Beißt du mich? Wohin? In die Halsschlagader? Wird es wehtun? Würdest du dafür sorgen, dass Shania mich hier nicht findet, wenn sie morgen herkommt?“
    So viele Fragen, rasch ausgestoßen, weil er sein Ende kommen sah. Ich machte eine beruhigende Geste. „Sei einen Moment still. Ich muss mich konzentrieren – und das fällt mir schwer, wenn ich hungrig bin. Im Moment bin ich sehr, sehr hungrig, José. Also bitte, sei um Himmels willen still, damit ich mich nicht vergesse.“
    Rodriguez schwieg augenblicklich, er hielt sogar den Atem an. Ich nahm all meine Konzentration zusammen und verwandelte mich vor seinen Augen in Lucien zurück. Natürlich sah Rodriguez mich nicht so deutlich wie ich ihn, doch ich bemerkte sofort, dass er mein

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