Verräterherz (German Edition)
Erscheinungsbild, so gut es ihm möglich war, in Augenschein nahm. Sein Blick drang durch die Dunkelheit zu mir und ich gebe zu, dass ich mich viel wohler fühlte, in meinem jungen und wirklich nicht unattraktiven Körper. Zumindest war ich nun rein optisch so jung wie mein Opfer. Vielleicht konnte Rodriguez in mir so etwas wie einen tödlichen Freund sehen, wenn ich seiner Altersstufe entsprach. Und ich ging gedanklich sogar noch einen Schritt weiter … Vielleicht empfand er meine Offenbarung, und die Demonstration meiner Kräfte, als einen unerwarteten Bonus dafür, dass er für genau dieses Wissen würde sterben müssen.
Die Gelegenheit jedenfalls war günstig. Ich war ohnehin nur in die Bar gegangen, weil ich mich nähren wollte. Unsere Wege hatten sich durch verschiedene Zufälle - von mir aus auch wegen irgendeines verfluchten Schicksals - gekreuzt. Er roch lecker, und was ebenfalls absolut appetitanregend war, war die Tatsache, dass er um seinen bevorstehenden Tod wusste und nicht floh wie ein gehetztes Kaninchen. Panik beeinflusst euer Blut … und das nicht immer auf positive Weise, wie ich anmerken muss. Manchmal kann es durchaus köstlich sein, Panik zu schmecken – so wie bei Morlet, aber im Großen und Ganzen bevorzuge ich es, wenn mein Opfer nicht Adrenalin wie verrückt ausstößt. Ich bekomme Kopfschmerzen von dem Zeug, zumindest, wenn ich zu viel dieses Blutes trinke.
Rodriguez war natürlich ebenfalls aufgeregt. Sein Herz schlug im selben Takt, wie ihm die Fragen über die Zunge geschossen waren … schnell, ein bisschen gehetzt, aber nicht panisch.
Ich seufzte leise und genussvoll. Plötzlich schlug er ein Kreuzzeichen und murmelte: „Herr, beschützte mich. Leite mich auf deinen Weg und nimm meine Seele in deinem Reiche auf. Erbarme dich meiner im Angesicht meines nahenden Todes und hilf mir, mein Schicksal tapfer anzunehmen.“
Ich weiß nicht, wo er dieses „Gebet“ herhatte. Vielleicht erfand er es in diesem Moment selbst. Doch Tatsache war, dass es mir emotional die Füße wegzog, wie er da einen Gott anrief, der ihm helfen sollte, meinen Angriff auf ihn tapfer zu ertragen. Ich glaube, es war das erste Mal, dass ich mich wahrlich wie ein Monster fühlte.
Er war so vertrauensvoll … so ehrlich zu mir gewesen. Und er war es auch jetzt noch, indem er mich teilhaben ließ, wie er um göttlichen Beistand rang, weil ich nicht in der Lage war, meinen Hunger auf sein Blut zu verhindern.
Als er schließlich das Kreuzzeichen erneut schlug und dann seinen Kopf auf die linke Schulter legte, damit mir seine rechte Halsseite gut zugänglich war, zischte ich: „Warum tust du das? Warum bietest du mir deinen Hals dar? Weglaufen müsstest du! Schreien! Mich verfluchen!“
Rodriguez hob den Kopf wieder und seine Stimme klang um einiges gefasster als meine, wie ich zugeben muss.
„ Wie weit käme ich denn, wenn ich versuche wegzulaufen? Und wenn ich schreie, was tust du dann? Wie lange würdest du wohl zulassen, dass mein Geschrei dich und deine Identität in Gefahr bringt? Dich verfluchen … ja, das tat ich. Und ich tue es noch, denn ich will leben! Ich will lieben! Ich will mit Shania zusammen sein. Vielleicht will ich Kinder mit ihr haben. Eine Familie gründen, für die ich sorgen kann und die ich vor jedem drohenden Unheil schützen möchte. Aber was interessiert dich das? Du bist hungrig, also wirst du all meine Pläne zunichtemachen, und wenn du satt bist, wirst du keine Reue dafür empfinden. Ist es nicht so? Und du fragst, warum ich dir meinen Hals darbiete? Die Antwort ist einfach. Ich möchte nicht mit dem Gefühl aus dem Leben scheiden, einen Kampf verloren zu haben. Ich lege keinen Wert darauf, mehr Schmerz als nötig zu ertragen. Ich wehre mich nicht, weil es ohnehin keinen Zweck hätte. Und nun beiß zu, verdammt noch mal! Ich weiß, ich muss sterben, und ich kann nichts dagegen tun! Gar nichts.“
Vampire können nicht besonders gut mit den Zähnen knirschen, wenn sie hungrig sind. Hätte ich es gekonnt, so hätte ich es wohl nach seinen überaus deutlichen Worten getan.
Ich hatte hier niemanden im Visier, der sich mit Freuden freiwillig selbst opfern wollte, sondern jemanden, der einfach den Durchblick hatte, wie man heute so sagt. Natürlich stimmt es, dass ich ihm nachgesetzt hätte, wenn er versucht hätte, zu fliehen. Durch eine Flucht wäre mein Jagdinstinkt über die Maßen aktiviert worden. Ich hätte ihn niedergestreckt, ohne darauf zu achten, ob dabei seine Knochen
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