Verräterherz (German Edition)
brechen. Ich hätte seinen Kopf gepackt und dem sich Windenden meine Fangzähne solange in den Hals gebohrt, bis ich schließlich seine Halsschlagader ordentlich erwischt hätte, um ihm das Blut in gierigen Schlucken aus dem Körper zu ziehen. Mein Visionär hatte absolut recht, wenn er der Ansicht war, die Situation gestalte sich für ihn am schmerzfreisten, wenn er kooperierte. Abermals legte er den Kopf auf die Seite.
In den Nächten vor meiner Ankunft in Mexiko hatte ich in den Häfen ein paar Mal auch von mehr als einem Opfer in einer Nacht getrunken. Ich bin nicht stolz darauf, aber verhehlen möchte ich es auch nicht. Inzwischen hatte ich mich ein wenig daran gewöhnt, nicht in den Blutrausch zu verfallen, obwohl zeitlich alles dafür sprach, neue Nahrung aufzunehmen. Rodriguez’ Halsschlagader pochte verführerisch. Ich konnte sie sehen und das Rauschen hören, das schon bald von meinem Körper aufgenommen werden sollte.
Aber vielleicht hatte er instinktiv genau das Richtige getan, um sich vor mir zu schützen. Dieses Anbieten schien mir nicht richtig. Ich war ein Jäger, und Rodriguez war ein nichtbewegliches Ziel, das für mich dennoch nicht uninteressant wurde, nur eben nicht so absolut unwiderstehlich, als dass ich geradezu triebgesteuert meine Zähne in ihn hätte bohren müssen.
Ich tat etwas, das ich seitdem nie wieder in einer ähnlichen Situation geschafft habe. Ich drehte mich um und ging - einfach in die Dunkelheit hinein, von der ich wusste, dass sie mich für ihn optisch verschlucken würde. Als ich die Schlucht verlassen hatte, blieb ich in der Nähe eines alten Baumes stehen und betrachtete den jungen Mann, den ich so unvermittelt wieder seinem Leben überlassen hatte.
Rodriguez erhob sich erst, nachdem er zweimal nach mir gerufen, und keine Antwort erhalten hatte. Und so, wie er mich zuvor bereits durchschaut hatte, so wusste er anscheinend auch nun, dass ich noch immer in seiner Nähe weilte. Er verhielt sich ein wenig verkrampft, aber den Umständen entsprechend war das nur zu verständlich. Stelle dir einfach vor, dein potenzieller Mörder wäre dir so nah, dass er deinen Atem hören kann … wäre dein Atem da nicht automatisch auch etwas aufgeregter?
Der junge Mexikaner machte seine Sache gut. Er bewegte sich ruhig und ohne offensichtliche Furcht. Ich wusste, genau wie er, dass es heikel war, ihn nun zu beobachten. Mein Hunger war gewaltig und er war weit und breit das einzige Lebewesen in meiner Nähe, das aufgrund seines Blutvolumens in der Lage war, diesen Hunger ausreichend zu stillen.
Seine Stimme klang zu mir herüber, leicht schwankend und ein wenig zu hoch für einen Mann.
„ Ich weiß, dass du dieses Versprechen nicht brauchst, aber ich möchte dir versichern, dass dein Geheimnis bei mir gut aufgehoben ist. Und davon abgesehen … wer würde mir schon glauben?“ Er lachte leicht nervös und ich fand es reizend – im Sinne von nett, nicht im Sinne von aufreizend lecker.
Als er über die Felsen kletterte, achtete er gut auf sich. Keine Verletzungen, was mich ungemein erleichterte. Es war uns beiden klar, dass die kleinste Schramme sein Aus bedeuten würde. Auch um die Kakteen und ihre tückischen Stacheln machte Rodriguez einen weiten Bogen. Er ging zügig, doch er rannte nicht, nachdem er wieder auf der Straße angekommen war.
Ich stelle mir gerne vor, wie er am nächsten Tag mit Shania in dieser Schlucht körperliche Freuden geteilt hat. Ich würde mir wünschen, dass er so sein neu erobertes Leben gefeiert hat, und mit ihr das fand, was er suchte.
Jahre später sah ich einen Mann, der ihm ähnlich sah, aber ich glaube nicht, dass es wirklich Rodriguez war, denn diesen Mann traf ich in Australien. Für mich wird Rodriguez immer der junge Mexikaner bleiben, der das geschafft hat, was einem arroganten Drecksack wie Caviness nicht gelang - mich zu überleben.
~6~
Im Laufe der Zeit wurde das Reisen immer einfacher. Mit dem Flugzeug fliegen zu können, war eine echte Erleichterung. Ich unternahm im Laufe der Zeit viele Reisen, deren Aufenthalte kurzfristiger Natur waren. Das Geld dafür kam aus verschiedenen Quellen – und du ahnst es sicher, die meisten davon konnte ich nur anzapfen, weil ich zuvor ihre Besitzer angezapft hatte.
Wolltest du lieber, dass ich dich diesbezüglich belüge? Ich denke, das würde uns beiden nicht gerecht, nun, da wir uns ein wenig kennen und hoffentlich schätzen gelernt haben. Vielleicht zumindest ansatzweise ... einen Funken von
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