Verräterische Lippen
ein.
»Ich
war ihr auf Hautkontakt nahe«, versicherte ich. »Sie ist von ausgeprägter
Schönheit — rotbraunes Haar und schwarze Augen. Ein Mädchen, das unbekleidet
mitten in der Nacht aufgeschreckt wird, dürfte kaum eine Perücke tragen. Auch
das übrige schien mir durchaus echt zu sein .«
»Sie
war nackt ?« Juarez erstickte fast an dem Wort. Sein
Gesicht überzog sich mit Röte.
»Ich
werde nie vergessen, wie sie im Mondlicht vor mir stand. Die straffen Brüste
und festen Schenkel...«
»Wir
finden Ihre Frivolität nicht amüsant, Señor Roberts«, unterbrach Rodriguez
eisig.
Ich
lächelte höflich und goß mir einen frischen Bourbon ein.
»Ich
denke, wir müssen davon ausgehen, daß sich Señorita Mendez in diesem Haus
aufgehalten hat, daß sie sich jetzt jedoch wieder in den Händen ihrer Entführer
befindet«, sagte General Ortez vernünftig. Er nahm
mir die Flasche aus der Hand.
»Hat
jemand eine Ahnung, wem dieses Haus hier gehört ?« fragte ich aus Neugier. Dabei sah ich niemanden an.
»Vielleicht
hat es Mr. Crawfield gehört«, meinte Ortez .
»Keine
schlechte Vermutung«, räumte ich ein. »Er könnte den Leuten, mit denen wir es
zu tun haben, als neutrales Aushängeschild gedient haben. Wer hätte sich dazu
besser geeignet als ein amerikanischer Geschäftsmann ?«
»Durchaus
einleuchtend«, pflichtete Ortez mir bei. »Was meinen
Sie dazu, Señor Rodriguez ?«
»Warum
über solche Dinge spekulieren ?« Der kleine Mann
musterte uns stirnrunzelnd. »Morgen früh werden wir in Erfahrung bringen, wem
dieses Haus gehört. In der Zwischenzeit...«
Ȇber
Mr. Crawfield persönlich haben Sie sich noch nicht
informiert ?« fiel ich ihm ins Wort.
Rodriguez
beherrschte sich nur mühsam. »Nein, Señor Roberts. Bis jetzt weiß ich nur, daß
er ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann war, der Vertreter einer amerikanischen
Ölgesellschaft. Auch privat hatte er in unserem Land investiert .«
»Schlossen
seine Investitionen auch Grundbesitz ein ?«
»Die
Nachforschungen über ihn laufen noch«, beschied Rodriguez mich knapp.
»Vorläufig haben wir jedenfalls nichts gefunden, was ihn mit politischen
Aktivitäten in Zusammenhang bringt .«
»Vielleicht
erklären Sie jetzt am besten, was Señor Roberts weiter tun soll«, meinte der
General.
»Ja.«
Rodriguez nickte. Er stellte sich neben den General an die Bar. Die Flasche,
die ich ihm zuschob, ignorierte er. »Die Kontaktaufnahme geschah wieder durch
den Anwalt, den ich bereits erwähnte. Sie sollen morgens um sechs Uhr in seinem
Büro sein. Die Tür wird offenstehen, auch wenn noch niemand dort ist. Dann wird
man sich mit Ihnen in Verbindung setzen. Natürlich haben wir die
Telefonleitungen angezapft, und die ganze Gegend wird abgeriegelt .«
»Sollte
ich also ermordet werden, sind Sie zur Stelle, um meine Mörder zu fassen ?«
»Wir
werden nichts tun, was Señorita Mendez gefährden könnte«, entgegnete er.
»Das
ist wirklich ermutigend«, sagte ich trübe. »Ich verstehe aber noch immer nicht,
warum diese Leute plötzlich so scharf darauf sind, mit mir zu reden. Was wollen
sie mit einem völlig erschöpften, amerikanischen Anwalt ?«
»Sie
kommen von Präsident Mendez persönlich. Das wissen diese Leute. Deshalb wollen
sie mit Ihnen verhandeln .«
»Na,
großartig!« Ich seufzte. »Falls sich irgend jemand einen Vers darauf machen
kann, wäre ich für Aufklärung dankbar .«
»Ich
habe selbstverständlich vorgeschlagen, daß sie mit mir vorliebnehmen sollten«,
erklärte Rodriguez verächtlich. »Aber die Anweisung lautete strikt, daß sie nur
mit Ihnen reden wollen. Es scheint mir deshalb geraten zu sein, keine Zeit mit
Einwänden zu verlieren .«
»Sie
haben recht«, stimmte ich ihm zu. »Dazu ist noch genug Gelegenheit, wenn Sie
die Arrangements für meine Beerdigung getroffen haben .«
In
dem Anwaltsbüro war es um sechs Uhr früh noch ziemlich dunkel. Ich machte
jedoch kein Licht. Meine Lider fühlten sich an wie Blei, und meine Augen
brannten vor Schlafmangel. Die übrigen Symptome körperlicher und geistiger
Erschöpfung nahm ich lieber gar nicht erst zur Kenntnis.
Ich
ließ mich auf einem hölzernen Drehstuhl mit fadenscheinigem Kissenbezug nieder.
Vor mir auf dem großen, einfachen Schreibtisch stand ein altmodisches Tintenfaß
neben einem Löscher. Akten waren nicht zu sehen. Entweder hatte die Firma
akuten Mangel an Klienten, oder sie war der Konkurrenz gegenüber mißtrauisch.
Auch die Schubfächer waren leer.
Das
harte
Weitere Kostenlose Bücher