Verrat der Finsternis
bereits herein, als endlich alles bereit war. Aine blickte nach Süden, in Richtung Partholon und der dahinterliegenden Ebenen der Zentauren. Sie war nervös. Ein Schamane sollte die Zeremonie durchführen, aber in der Wachtburg gab es keinen. Und die wortkargen Krieger, die unruhig neben ihr standen, würden mit Sicherheit nicht um den Segen der Göttin bitten.
„Epona, die zentaurische Jägerin Maev der Hagans war meine Freundin. Wir haben viel zusammen gelacht, auch wenn uns eigentlich nicht danach zumute war. Sie ist zu früh gestorben, und ich werde sie vermissen. Ich bitte dich, sie auf deinen grünen Wiesen in Empfang zu nehmen, auf dass ihre Seele in Ewigkeit frei an deiner Seite galoppieren wird.“ Sie hielt die Fackel an den Scheiterhaufen. Mit einem lauten Zischen fingen die mit Öl getränkten Zweige Feuer.
Sehr gut gemacht, Tochter.
Aine zuckte zusammen und atmete erschrocken ein, als die liebliche Stimme der Göttin durch ihre Gedanken schwebte.
Und jetzt mach dich bereit, mein Kind. Ich brauche dich.
4. KAPITEL
„Aine, kehrst du nicht mit uns zurück?“, fragte Edan, der noch gewartet hatte, während die anderen Krieger sofort nach der Zeremonie den Rückweg zur Burg antraten.
„N…nein“, stammelte sie und fuhr sich zittrig über ihre Stirn. Habe ich wirklich Eponas Stimme gehört? „Ich bleibe noch eine Weile bei Maev.“
„Nach Einbruch der Dunkelheit ist es im Wald nicht mehr sicher, dir bleibt nicht viel Zeit. Ich lasse dir das Pferd und den Wagen hier“, sagte er.
Aine nickte abwesend und bekam kaum mit, dass er ging. Ihre ganze Aufmerksamkeit war nach innen gerichtet. „Epona?“, flüsterte sie und kam sich dabei dumm vor.
Hör zu, Tochter. In der Nähe ist jemand, der dich braucht.
Aine zitterte vor Aufregung. Die Göttin sprach zu ihr! Mit angehaltenem Atem lauschte sie.
Ein leises, schmerzhaftes Stöhnen schien durch die kühle Nachtluft zu wehen. Darüber lag der Geruch von Tod, Rauch und Kiefernholz. Aine drehte sich zum Wind und folgte der Aufforderung ihrer Göttin.
Dem schmerzerfüllten Keuchen war nicht schwer zu folgen. Aine war erstaunt, dass sie und die Krieger es vorher nicht gehört hatten. Sie trat zwischen die Kiefern und gelangte nach wenigen Metern an einen Graben. Was sie dort am Boden entdeckte, schockierte sie. Ungläubig und wie erstarrt stand sie da.
Die geflügelte Kreatur lag zusammengekrümmt auf dem Boden. Ein grausam verdrehtes Bein steckte in einer Eisenfalle, die so groß war, dass sie nur für die gefährlichen Braunbären ausgelegt worden sein konnte, die sich in der Nähe der Burg herumtrieben.
Es ist deine Entscheidung, ob du ihm hilfst oder nicht, Tochter.
„Aber er ist ein Fomorianer!“, sagte Aine.
Epona erwiderte nichts, und Aine spürte, dass die Göttin sie verlassen hatte. Als die Kreatur ihre Stimme gehört hatte, hatte sie abrupt den Kopf gehoben. Mit glasigen Augen, in denen sich Schock und Schmerz spiegelten, sah sie Aine an.
„Bist du eine Göttin oder ein Geist?“
Seine Stimme war eine Überraschung. Sie war tief und schön, fast melodisch. Und er klang verängstigt.
„Weder noch“, antwortete Aine. Dann presste sie die Lippen aufeinander. Es war verrückt, mit ihm, mit dieser Kreatur, zu sprechen, statt schreiend wegzulaufen und die Krieger zu holen.
„Du siehst aus wie eine Göttin“, sagte er.
Dann lächelte er, und obwohl Aine beim Anblick seiner Fangzähne zurückzuckte, die im schwindenden Licht aufblitzten, fesselte sein unerwartet sanfter Blick sie, der hervorragend zu seiner ausdrucksstarken Stimme passte.
„Du bist ein Fomorianer“, brachte Aine hervor, wie um sich selbst daran zu erinnern.
„Und du bist eine Göttin.“
„Fomorianer sind Dämonen!“, platzte es aus Aine heraus. „Was weißt du schon über Göttinnen?“
„Ein paar von uns kennen Epona. Ein paar von uns …“ Er brach ab und sog scharf die Luft ein, als der Schmerz erneut durch seinen Körper fuhr.
Aine reagierte instinktiv auf seine Qual und war schon halb in den Graben geklettert, bevor es ihr überhaupt bewusst wurde. Der Fomorianer hielt die Augen geschlossen, während er die Schmerzwellen offensichtlich auszuhalten versuchte. Die Stirn drückte er fest auf den Boden, er atmete keuchend und flach. Genau wie jeder andere, der fürchterliche Schmerzen ausstehen muss, dachte sie.
Mit einem Mal zitterten seine Flügel, die bislang auf seinem Rücken gelegen hatten, und Aine blieb stolpernd ein paar Schritte von ihm
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