Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verrat im Höllental

Verrat im Höllental

Titel: Verrat im Höllental Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
eilten umher. Den
Rolltreppen ging fast die Puste aus, standen doch mindestens drei auf jeder
Stufe. Vor den Lifttüren bildeten sich Menschentrauben. Jedermann war mit
Einkaufstüten beladen, hatte also kräftig den Umsatz gefördert.
    Gaby eilte zur Treppe.
    Karl hatte sie hergebracht und war dann
nach Hause geradelt. Zwar schritt draußen die Dämmerung munter voran, aber
Gabys Heimweg führte ab hier nur durch belebte Straßen, konnte also aller
Voraussicht nach nicht gefährlich werden für den weiblichen Anteil der
TKKG-Bande.
    „Entschuldigung!“ rief Gaby.
    Versehentlich hatte sie eine ältere
Dame gerempelt. Sie war schmächtig und zerbrechlich. Der Rempler warf sie fast
aus der Bahn. Aber statt, wie befürchtet, in einer Schau Vitrine zu landen,
gewann sie ihr Gleichgewicht zurück und hastete zur Abwärts-Rolltreppe.
    Da ist man nun höflich, dachte Gaby,
und keiner guckt zu.
    Verwundert sah sie der Dame nach. Es
war wirklich eine Dame. Von hinten wirkte sie sehr elegant. Sie trug sogar
Sommerhandschuhe, und für die Herstellung ihrer Handtasche hatte man einem
besonders schönen Krokodil ein großes Stück Haut abgezogen.
    Im Weitergehen untersuchte Gaby die
Hundekuchen-Tüte, die den Rempler abgefangen hatte.
    Kaputt? Sie war heil. Höchstens, daß sich
zwei, drei Kuchen in Krümel verwandelt hatten.
    „Jiiihhh — ist das nicht Gaby Glockner“,
stieß eine Stimme wie ein Raubvogel auf sie herab.
    Pfote blickte auf. Zu der Stimme
gehörte eine Dame. Sie stand oberhalb der drei Stufen, mit denen sich die
Damenkonfektions-Abteilung gegen den Hintergrund abgrenzte. Im Hintergrund
waren der Notausgang und die Damen-Toiletten.
    Ulkige Welt! dachte Gaby. Die reinste
Kicher-Kiste! Da sülzen wir vorhin von ihr, und jetzt laufe ich ihr in den Weg —
was pro Jahr höchstens dreimal vorkommt, abgesehen von Weihnachten, wenn sie
für unseren Schwimmclub spendet.
    „’n Abend, Frau Gisen-Häpplich!“ rief
sie. „Ja, ich bin’s! Auch eingekauft?“
    Emma Gisen-Häpplich hatte ein Gesicht
wie ein alter Sioux-Indianer, und so war auch ihr Wesen: immer auf dem
Kriegspfad. Sie war hoch in den Siebzigern, aber geistig und körperlich in
Bestform. Außerdem bevorzugte sie junge Mode, was ihren Sohn, den
Nosiop-Direktor Günter Gisen-Häpplich, nicht selten in Verlegenheit brachte.
    „Eingekauft? Nein! Doch nicht hier.
Nicht hier, Gaby! Bin doch nicht meschugge. Wollte nur mal aufs Klo. Und jetzt
hat man mich bestohlen! Diese Bestien! Aber das hat ein Nachspiel. Du mußt die
Diebin gesehen haben! Wie sah sie aus?“
    „Wen? Eine Diebin? Hier?“
    Emma kam die Stufen herunter, umarmte
Gaby mit einem Arm, nahm ihr mit dem andern die 10-Kilo-Tüte weg und zog die
13-jährige mit sich.

    „Wir gehen zum Direktor. Die Tüte ist
viel zu schwer für dich. Du hast also die Diebin gesehen?“
    Mein Gott! dachte Gaby. Für mich zu
schwer, aber sie trägt sie unterm Arm wie Make-up-Watte.
    „Ich habe niemanden gesehen, Frau
Gisen-Häpplich. Das heißt, doch! Eine Frau hatte es eilig. Ist wie der Wind zur
Rolltreppe und hat mich fast umgerissen. Wo hat man Sie bestohlen? Auf der
Toilette?“
    „Dort!“ nickte Emma. „Genau dort. Kam
die Frau aus der Richtung?“
    „Ich glaube, ja.“
    „Dann haben wir sie. Wenn das
Stadtviertel abgesperrt wird — und alle Ausfallstraßen, dann... Aber erst gehen
wir zum Direktor.“
    Es gongte. Eine Lautsprecherstimme in
allen Räumen und Abteilungen teilte mit, sinngemäß, daß sich die Kunden jetzt
gefälligst hinausscheren sollten. Allerdings wurden höfliche Worte verwendet,
etwa ,verehrt’ und ,bitte’.
    Gaby durfte miterleben, wie Emma sich
zum Direktor durchfragte. Das heißt, sie fragte nicht lange, krallte sich
vielmehr eine junge Verkäuferin und befahl ihr, sie hinzuführen. Widerspruch
kam gar nicht erst auf.
    Dann stürmte Emma das Büro des
Direktors, der nichtsahnend hinter seinem Schreibtisch saß und fürchterlich
erschrak.
    „Ihr Haus ist ein Saustall“, stellte
Emma fest. „Ich bin Emma Gisen-Häpplich und weiß, was ich sage. Sorgen Sie
dafür, junger Mann“, der Direktor war mindestens 58, „daß sich sowas nicht wiederholt.
Handtaschendiebe auf der Damentoilette! Pfui! Sie ist aus Schlangenleder und
sieht so aus!“
    Sie übergab Gaby die Hundekuchen-Tüte,
um beide Arme frei zu haben. Ihre mehrkarätig behängten Hände malten ein
Hängebauchschwein in die Luft.
    „Mein ganzer Kram ist drin, Direktor.
Schlüssel, Papiere, Geld. Wie komme ich jetzt

Weitere Kostenlose Bücher