Verrat im Höllental
Gemüse-Plantagen, die Schrebergärten, die Sandböden der
Kinderspielplätze, den Rasen der Sportstadien — und was weiß ich. Nach einem
begrenzten Atomkrieg — begrenzt auf diese schöne Stadt und zwei, drei
umliegende Landkreise — wäre die Katastrophe nicht größer. Kapiert? Damit drohe
ich, auch wenn’s ein bißchen übertrieben ist. Die Presse wird das Ende
Westeuropas daraus machen, und die Chemie-Werk-Verantwortlichen haben die Hosen
voll. Jede Wette!“
„Wieso haben sie die Hosen voll?“
forschte Magda.
„Weil sie als Giftproduzenten sowieso
von allen Seiten angeschossen werden und enorm unbeliebt sind. Egal, was sie
herstellen — Gift ist im Spiel. Da braucht es sich gar nicht um
Lebensmittelkonserven zu handeln oder um Arzneien — wer mit Gift rumtut, ist
der Teufel persönlich. Weil er das weiß, hat er Schiß. Er wird sonstwas machen,
um Aufsehen zu vermeiden — befürchtet er doch, daß man ihm als Naturvernichter
und Umweltschänder sonst gänzlich den Hahn abdreht. Nicht den Gas-, sondern den
Geldhahn und die staatlichen Zuschüsse, die ja bevorzugt in solche Betriebe
fließen. Das heißt also: Nur zu gern werden mir die Verantwortlichen die halbe
Million überreichen. Vielleicht mit einem Geschenkkorb als Angebinde.“
Magda drehte ihr Glas zwischen den
Fingern. „Ich glaube, deine Rechnung geht auf.“
Auf Nicoles Wangen pinselte die
Begeisterung Flammen. „Garantiert! Aber warum denn so billig? Warum nur 500
000? Warum nicht eine Million?“
„Das wäre ja unverschämt“, meinte
Lohmann — und verschwieg geflissentlich, daß er selbstverständlich eine Million
verlangen — und bestimmt auch erhalten werde. Doch da die beiden Damen auf
Beteiligung hinarbeiteten, wollte er den wahren Gewinn verschleiern. Sind doch
die Anteile von einer halben Million kleiner als von einer Million.
„Das sind Einzelheiten, über die wir
noch sülzen können“, meinte Magda. „Mich interessiert jetzt vor allem, welches
Chemie-Werk du meinst, Ottmar?“
Er grinste wie die Gerissenheit
persönlich. „Sage ich nicht.“
„Hast du das gehört, Nicole? Er hat
kein Vertrauen zu uns.“
Sie blinzelte ihrer Tochter zu.
Die sah Lohmann an, als täte er ihr
leid.
„Ein Geheimniskrämer, aha!“
„Ihr kriegt ja was ab“, meinte er
maulig. „Aber die Sache ist meine Sache.“
Jetzt blinzelte Nicole ihrer Mutter zu.
„Wollen wir mal quizzen (raten), daß ihm die Resthaare steil stehen?“
„Ich fange an“, feixte Magda. „Aber
erst schenken wir uns noch einen Willkommenstrunk ein.“
Nicole verzichtete. Ihr Magen säuerte,
litt nämlich noch an den Aufregungen des Nachmittags — aber nur der Magen. Ihr
wetterhartes Gewissen hätte ganz andere Fehlschläge verdaut.
„Also“, sagte Magda, „da ich die Gegend
hier kenne, von Kindestagen an, tippe ich auf ein bestimmtes Chemie-Werk. Was,
Ottmar, hältst du von der Nosiop-Chemie-AG?“
Lohmann weitete die Augen, als sehe er
einen Grauen Star auf sich zukommen. „Häh? Wieso?“
„Also richtig geraten“, freute sich
Magda. „Aber du errätst nie, woher wir unsere Infos (Informationen = Nachrichten) beziehen.“
„Nö. Errate ich nicht.“
„Über den Giftmüll der Nosiop-AG“,
übernahm Nicole die Erklärung, kichernd, „wissen wir nahezu alles. Von unserer
Tante.“
„Arbeitet die dort?“
Die beiden Damen nahmen das als Witz
auf und gackerten wie die ersten Agrar-Zulieferer für Eierlikör (Agrar =
Landwirtschaft).
„Agathe Tepler“, lachte Magda, „ist ein
stinkreiches, altes Mädchen. So vornehm, daß sie ihre Diät-Pillen nur mit
Messer und Gabel ißt. Wir sind die armen Verwandten. Daß wir ziemlich
abenteuerlich leben, ahnt sie nicht mal. Sie ist nämlich ein bißchen
bescheuert. Ab und zu läßt sie uns was zukommen. Eine milde Gabe. Zu
Weihnachten immer. Aber nicht nur. Nein, an Nicole hat sie einen Narren
gefressen.“
„Was hat ‘n das mit der Nosiop-Chemie
zu tun?“ unterbrach Lohmann.
„Wart’s nur ab, du Tankwagen-Kidnapper.
Agathe besitzt in vornehmster Gegend eine Etagen-Wohnung. Das und ‘ne Menge
Moos hat ihr ein gewisser Georg von Würmel hinterlassen, als er vor zehn Jahren
starb. Sie war seine Lebensgefährtin, zwar nie seine Angetraute, aber — nach
neuerer Rechtsprechung — trotzdem voll erbberechtigt. Die andere Etagen-Wohnung
im Hause Hornissen-Weg 12 wird von ihrer Freundin gehalten. Ein alter,
gefährlicher Drachen ist das — und ekelhaft rüstig. Sie heißt Emma
Gisen-Häpplich.
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