Verrat in Freistatt
Maul!« Erschrocken warf sie einen Blick auf die Tür, hinter der einer der anderen lauschen mochte. »Du weißt es besser!«
»Na und - diesmal haben sie ihn gründlich erwischt, und Tempus ist obenauf. Und Eichan kommandiert uns weiter herum, als wäre der Große noch ...«
»Halt’s Maul!«
»Jubal ist nicht in der Lage, irgendwas zu tun, oder? Auf der Straße jagt man weiterhin Falkenmasken, und niemand weiß, wann wir dran sind. Wir verkriechen uns in unsere Löcher und hoffen, der Große kommt zurück .«
»Und wenn er zurück ist, wird er mit ihnen abrechnen. Wenn wir alle zusammenhalten, wenn ...«
»Wenn und wenn und wenn. Hast du nicht gesehen, wer sich in seinem Haus eingenistet hat? Jubal wird es niezurückgewinnen! Er wird nichts gegen sie unternehmen! Kann es gar nicht! Hast du die Reiter auf der Straße gehört? So wird es bleiben!«
»Halt’s Maul! Du hast Schiß!«
Moram trat an die Wand und zog seinen Umhang vom Haken.
»Wo willst du hin?«
»Hinaus, wo mir niemand die Ohren vollkeift.«
»Trau dich ja nicht!«
Er schlang sich den Umhang über die Schultern und ging zur Tür.
»Bleib da!« Sie faßte ihn am Arm, zog. Vergebens. Er war viel stärker als sie. »Eichan wird dich umbringen!«
»Es ist Eichan egal. Uns speist er mit Kupfer ab, und anderen gibt er unsere Namen und Silber.«
»Du wirst ihm nicht nachgehen! Eichan sagte .«
»Eichan sagte! Kümmere dich nicht um meine Angelegenheiten. Ich werde dem Hundesohn nicht die Gurgel durchschneiden. Nicht heute. Ich habe Kopfweh. Laß mich bloß in Ruhe.«
»Na gut, na gut. Ich sag’ nichts mehr. Aber bleib da!«
Er öffnete die Tür und ging hinaus.
»Moram!« fauchte sie.
Er drehte sich um und hob eine Münze hoch. »Genug, mich zu besaufen. Aber nur genug für einen. Tut mir leid.«
Er wirbelte herum und lief mit flatterndem Umhang davon. Moria schloß die Tür, ging durch die Kammer und warf sich auf die Liege. Sie vergrub das Gesicht in den Händen, und das Blut hämmerte ihr in den Schläfen. Sie hatte Angst. Sie wollte um sich schlagen, auf etwas, irgend etwas einschlagen. Seit der Überfall, der sie die Hälfte ihrer Leute gekostet hatte, sie in aller Winde verstreut hatte, ging alles abwärts. Eichan versuchte sie zusammenzuhalten. Sie hatte keine Ahnung, ob es stimmte, was er behauptete, ja nicht einmal, ob Jubal überhaupt noch lebte. Sie zweifelte manchmal daran, aber nicht laut wie Moram. Sie konnte es ihm jedoch nicht verdenken. Heute haßte sie Eichan - und erinnerte sich, daß es doch Moram gewesen war, der den Fremden zu ihnen geführt hatte. Betrunken. Von Krrf halb betäubt. Er nahm zuviel davon.
Und Bechos Schenke - jeder Ort war gefährlich, wenn man sich dort regelmäßig sehen ließ, wie ihr Bruder es tat. Er hatte feste Gewohnheiten, die ihn hierhin und dahin führten. Da war dieser Geruch von Tod um ihn, der sie erschreckte. Alle Feinde, die der Sklavenhändler Jubal sich im Laufe der Zeit gemacht hatte (und das waren nicht wenige), rächten sich nun, da seine Macht gebrochen war. Früher waren die Falkenmasken prächtig gewandet durch die Straßen stolziert, jetzt trugen sie Lumpen und mußten sich in Löchern verkriechen. Das war für sie alle eine bittere Umstellung.
Moram wurde damit nicht fertig. Sie gab ihm Geld, sein und ihr Erspartes. Aber er hatte sie angelogen, sie wußte es, und sich das bißchen mehr genommen, daß er für Becho brauchte. Oder er hatte jemandes Beutel aufgeschlitzt, wenn nicht gar seine Kehle, in Mißachtung von Eichans Anweisungen. Er beging langsamen Selbstmord. Das wußte sie. Gemeinsam waren sie aus diesem Gestank, diesem Schmutz gestiegen und in Jubals Dienste getreten, hatten sich daran gewöhnt, wie feine Leute zu leben. Und nun waren sie wieder in der Gosse. Moram wollte so nicht leben. Sie hielt ihn, so gut sie es konnte, deckte ihn, log für ihn. Eichan tötete ihn vielleicht selbst, wenn er ihn hatte fortgehen sehen; oder er schlug ihn bewußtlos. Sie wünschte sich, sie hätte die Kraft, ihm die Dummheit aus dem Leib zu prügeln, ihn gegen die Wand zu drücken, ihm Vernunft einzureden. Aber es gab niemanden, der ihm auf diese Weise helfen könnte. Seit Jahren nicht mehr.
Moram stiefelte die Straße entlang, mit der wilden Entschlossenheit, die ihm Belästigungen fernhielt, und bog so schnell wie möglich von der Hauptstraße ab.
Aber etwas tat sich. Ein Bettler verließ den geschützten Eingang nahe einer Gassenabzweigung und schlurfte dahin, bis
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