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Verrat in Freistatt

Titel: Verrat in Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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»Es steht darauf, daß du frei bist.« Sie nahm einen Geldbeutel vom Tisch (eine weitere Hinterlassenschaft) und drückte ihn ihm in die Hand. »Bleib in Freistatt, wenn dir das lieber ist. Oder gehe. Vielleicht töten sie dich, vielleicht auch nicht. Nicht, wenn sie diese Nachricht lesen. Tu, was du magst, aber verschwinde von hier.«
    »Sie werden mich finden«, gab er zu bedenken.
    »Verlaß dich auf dieses Schreiben«, beruhigte sie ihn. »Oder benutze die Hintertür und die Brücke.«
    Sie deutete. Er zauderte, wandte sich der Vordertür zu, dann rannte er zur Hintertür, zum Fluß. Sie lachte laut, schaute ihm nach, wie er von ihrer Tür floh, wie er zum Fluß rannte, bis die Dunkelheit ihn verschluckte.
    Nachdem ihr Lachen verklungen war, las sie noch einmal die Botschaft, die sie ihr geschickt hatten, dann verbrannte sie sie in der Lampe. Die Asche ließ sie sorglos fallen, ohne darauf zu achten, daß sie bernsteinfarbene Seide versengte.
    Also wollten Vashankas Anhänger ihre Dienste immer noch und boten ihr jetzt sogar dreimal soviel Gold an wie vorher. Es interessierte sie im Augenblick nicht; sie hatte, soviel sie haben wollte. Sie wollte auch nicht auffälliger leben, selbst wenn sie ihr einen Palast für ihre Dienste anböten. Und das könnten sie.
    Wie wäre das? fragte sie sich. Und wie lange würde es dauern, bis ihre Nachbarn sich über das ständige Verschwinden aufregten? Sie konnte Sklaven kaufen -aber den Hof des Prinzen betreten? In der Öffentlichkeit leben?
    Der Gedanke belustigte sie, wie nur Selbstironie es vermochte. Sie könnte, wenn sie wollte, ein Jubal werden, in einem Gewerbe, das ihrem Eigenbedarf gelegen kam. Zu schade, daß sie bereits einen Auftrag angenommen hatte ...
    Doch die Ironie verblaßte und die Bitterkeit blieb. Vielleicht mutmaßten die Vashanka-Anhänger die Wahrheit. Vielleicht ahnten sie ihre Beweggründe oder ihr Bedürfnis - und schickten deshalb jemanden wie Haught, einen Boten, den sie schon nach dem ersten Besuch nicht mehr zurückerwarteten. Und dann sandten sie ihn immer wieder. Mit zynischer Grausamkeit wollten sie sie in Versuchung führen, um festzustellen, wieviel von ihrer Vermutung Wahrheit war - was sie war, wie lange sie sich zurückhalten konnte.
    Sie dachte über Haught nach, wie jedesmal, wenn er zu ihr gekommen war. Auch das hatten sie bestimmt beabsichtigt. Der Hunger wuchs. Bald würde er zu stark werden.
    »Vis!« sagte sie laut. Die Bilder verschmolzen vor ihrem inneren Auge. Vis und Haught, zwei schwarze Fremde, die sie beide hatte gehen lassen - denn sie war nicht ohne Mitleid. Da war die Hölle in des Sklaven Augen, genau wie in den ihren. Immer wieder war er in der einen oder anderen Richtung an ihrer Tür vorbeigekommen, und die Hölle war schlimmer geworden und die Angst, die eine Verlockung in sich war. So ein Geschmack ließ sich entwickeln, für die Schönheit und die Furcht, für die feine Lebensart. Wie ein Rauschgift. Aber sie verfügte über mehr Stolz.
    Sie hatte keineswegs die Absicht, heute nacht auszugehen. Doch die Ruhelosigkeit wurde schlimmer, und sie haßte sie dafür, haßte sie für das, was sie getan hatten, dafür, daß sie jetzt töten würde, auf die eine Art, wie sie immer getötet hatte - aber nicht auf die, die sie vermuteten. Es war das Glück, das sie verfolgte, der Fluch, den ein Feind über sie verhängt hatte.
    Sie warf sich den schwarzen Umhang über und zog sich die Kapuze ins Gesicht. Auch sie verließ das Haus durch die Hintertür, durch den kleinen, rankenüberwucherten Garten und die Gartentür zum Flußweg, Schritt um Schritt entlang des ungepflasterten Weges.
    Und Schritt um Schritt über die Brücke, mit den zierlichen Füßen in weichen Schuhen auf den Holzplanken, dann auf nassen Kopfsteinen und schließlich auf dem Schmutz der ungepflasterten Abwindgassen. Sie jagte, diesmal selbst ein Lockvogel, wie der Sklave es gewesen war ...
    Vielleicht würde sie ihn finden, falls er auf seiner Flucht zu lange zauderte. Dann würde sie keine Gewissensbisse haben. Ein Teil ihres Ichs hoffte es und genoß die Vorfreude auf das Vertrauen, das er zunächst zu ihr haben würde, und danach seine Furcht und sein Schrecken; und ein anderer Teil ihres Ichs sagte nein.
    Sie war wählerisch. Vor dem ersten, der sie ansprach, ekelte sie sich, und sie ließ ihn benommen vom kurzen Blick ihrer Augen zurück, so daß er nicht mehr wußte, weshalb er eigentlich hier war. Der zweite jedoch gefiel ihr. Er war jung, und ihm

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