Verrat in Freistatt
verwundet und konnte seinen Gegner nur noch abwehren. Er hatte keine Ahnung, wie es seinen Leuten erging oder wie der Kampf stand. Erneut wurde er einen Schritt zurückgedrängt, und die offene Rückseite eines Wagens preßte sich gegen seine Hüfte. Der Bursche, der auf ihn einhieb, war selbst noch unverletzt. Nun war wohl die Zeit für das letzte Gebet eines Soldaten gekommen.
Der Angreifer fletschte die Zähne und nahm sein Schwert in beide Hände, um zum köpfenden Streich auszuholen. Walegrin wappnete sich, den Schlag mit seinem Schwert abzufangen, das er schräg im unverletzten Arm hielt. Die Waffe entglitt seiner plötzlich tauben Hand, aber sein Hals war unversehrt. Das erschütterte den Räuber nicht. Er lächelte - schließlich war Walegrin jetzt unbewaffnet.
Der Soldat richtete sich auf, um dem Tod mutig ins Auge zu blicken. Doch da stützten seine bleiernen Finger sich auf etwas, das vergessen im Wagen liegengeblieben war: das alte Enlibarschwert, das sie im Staub der Mine gefunden hatten. Der silbergrüne Stahl wies nicht den geringsten Rost auf, doch niemand hätte seine gewohnte, rankanische Klinge gegen eine austauschen wollten, die fünfhundert Jahre vor seiner Geburt geschmiedet war - bis jetzt. Mit Kampfgebrüll schwang Walegrin das uralte Schwert.
Blaugrüne Funken sprühten, als die Klingen sich trafen. Das Klirren des Enlibarmetalls erhob sich über alle anderen Kampfgeräusche. Des Räubers Klinge zerbrach, und mit einem Streich, der dem Reflex der Erfahrung zu verdanken war, nicht der Überlegung, trennte Walegrin dem Gegner den Kopf von den Schultern.
Der sagenhafte Stahl von Enlibar!
Diese Erkenntnis überwältigte ihn. Er hörte weder, wie die Angreifer die Flucht ergriffen, noch sah er, daß seine Leute sich um ihn scharten.
Der Stahl von Enlibar!
Drei Jahre verzweifelter, oft gefährlicher Suche hatten ihn zu der Mine geführt. Sie hatten zwei Wagen mit dem kostbaren Erz beladen und es mit ihrem Leben verteidigt. Aber Walegrin hatte nicht wirklich geglaubt, daß er den echten Stahl gefunden hatte: einen Stahl, der andere Klingen zerschmettern konnte; ein Stahl, der ihm Ruhm und Ehre bringen würde.
Er fand sein Militärschwert im Staub zu seinen Füßen und streckte es seinem Unterführer entgegen.
»Nimm es«, befahl er, »und schlag nach mir!«
Thrusher zögerte, dann hieb er halbherzig zu. »Nein! Schlag richtig!« brüllte Walegrin mit erhobener Enlibarklinge.
Mit dem gleichen nachklingenden Klirren wie zuvor, traf Metall auf Metall. Das Kurzschwert brach nicht, bekam jedoch eine tiefe Kerbe in der Schneide, die nicht mehr auszuwetzen sein würde. Walegrin strich fast zärtlich über den makellosen Enlibarstahl und stieß einen Jubelschrei aus.
»Rankes Geschick liegt in unseren Händen!« rief er begeistert.
Seine Männer blickten einander an, dann lächelten sie, ohne seine Begeisterung teilen zu können. Sie glaubten an ihren Hauptmann, hielten jedoch nicht allzuviel von seiner besessenen Suche. Und nun waren sie nicht übermäßig erfreut, ihren sonst so mürrischen Offizier eines alten Schwertes wegen so verwandelt zu sehen - so gut die Klinge auch sein mochte und obwohl sie ihm das Leben gerettet hatte. Walegrins Begeisterung hielt allerdings nicht lange an.
Sie fanden Malms Leiche zwanzig Schritte vom Feuer entfernt, mit einer tiefen Wunde am Hals. Walegrin schloß seinem Freund die Augen und empfahl ihn seinen Göttern - nicht Walegrins Götter, denn er erkannte keine Götter an. Malm war ihr einziger Gefallener, aber ein unersetzlicher Verlust.
In grimmigem Schweigen verließ Walegrin Malm und kehrte zu der kopflosen Leiche beim Wagen zurück, um sie zu durchsuchen. An ihrem Gürtel hing ein Beutel, prall mit Goldmünzen, ganz frisch erst in der rankanischen Hauptstadt geprägt. Walegrin dachte an die Briefe, die er seinem reichen Gönner in der Reichshierarchie geschickt hatte und auf die er keine Antwort bekommen hatte. Wütend und mißtrauisch riß er dem Toten die Kleidung vom Leib, bis er fand, was er vermutet hatte: ein fettiges Stück Pergament mit dem vertrauten Siegel seines vermeintlichen Gönners. Während seine Männer schliefen, las er dieses verräterische Schreiben, bis es sich ihm unauslöschlich eingeprägt hatte.
Fast von Anfang an hatte ihm Kilites Gold seine Suche überhaupt erst ermöglicht. Der ehrgeizige Edle hatte gesagt, daß der Enlibarstahl, falls er gefunden werden konnte, rasche, endlose Siege ermöglichen würde - und raschen,
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