Verrat in Freistatt
hochgedrängt wurde.
Etwas Dunkles klammerte sich an den Gullyrand wie eine Ratte, die aus ihrem Loch geschwemmt wird, dann kletterte Zanderei ganz aus dem Schacht, als das Toben des Wassers nachließ. Doch inzwischen umzingelten ihn bereits die Höllenhunde. Lalo hörte Fluchen und einen Schmerzensschrei. Unter den Stimmen vernahm er den weichen Tonfall des kaiserlichen Versorgungsbeauftragten.
»Ah, Ihr seid das also«, sagte die tiefe Stimme Quags. »Nun, wenn wir schon den Maler verloren haben, haben wir zumindest Euch. Mein Lord Prinz wird staunen, welch scharfzahnige Ratten sein Bruder sich hält, um seine Getreidespeicher zu schützen. Marsch, kommt mit!«
Lalo lehnte sich gegen die Stiegenstütze zurück. Es war vorbei. Die Höllenhunde zerrten Zanderei mit sich, so wie sie ihn vor einiger Zeit durch die Nacht geschleppt hatten.
Er würde eine Möglichkeit finden, Coricidius wissen zu lassen, was das Gemälde aufgedeckt und was Zanderei ihm mitgeteilt hatte. Würden sie ihn vor Gericht rufen, um es zu beweisen? Würden sie sich des Attentäters heimlich entledigen? Oder ihn nach Ranke zurückschicken, um sein Versagen einzugestehen? Lalo wunderte sich dumpf, daß es ihn überhaupt nicht mehr interessierte.
Gilla würde ihn mit rauhen Worten empfangen, wenn er heimkehrte, doch dann würden ihre Arme weich und tröstlich sein ...
Aber noch blieb er sitzen, denn unter den oberflächlichen Fragen in seinem Kopf regte sich eine weitere, verwirrende: Warum habe ich Zanderei aus dem Schacht gelassen?
Heute hatte er dem Tod gegenübergestanden, um sein Leben gekämpft und die Furcht bezwungen. Er hatte erkannt, daß das Böse auf der Welt nicht auf Freistatt beschränkt war. Wenn ihm all das möglich war, konnte er nicht mehr der Mensch sein, den zu kennen er geglaubt hatte.
Er streckte seine magischen Hände aus, seine Malerhände, daß der Mondschein sie mit Silber überzog, und betrachtete sie, als enthielten sie seine Antwort. Vielleicht stimmte das auch, denn obgleich er über Zanderei gesiegt hatte, hatte dessen letzte Frage ihn doch bezwungen. Und er konnte sie nur beantworten, indem er sich mit dem Pinsel in der Hand einem Spiegel stellte.
Der Mond ruhte sich über den krummen Dächern von seiner Arbeit aus, die Flut anzuziehen. Wie ein Silberspiegel segnete er die finsteren Straßen von Freistatt und den Mann, der mit tränenüberströmtem Gesicht zu ihm hochblickte und in ihm die Pracht der verborgenen Sonne sah.
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(3) siehe NASHORN UND EINHORN von Diana L. Paxson in: Die Götter von Freistatt , Bastei Lübbe 20098
Walegrin
Stahl
Lynn Abbey
1
Walegrin lauschte angespannt auf die Geräusche, die der Nachtwind mit sich brachte. Sein Überleben hing von seiner Fähigkeit ab, diese nächtlichen Laute zu entwirren - und von der Klinge, die er blank umklammerte. Jemand schlich in der Finsternis an sein kleines Lager heran.
Zwei bunte Enlibarwagen standen unbewacht und auffällig im rötlichen Schein eines niederbrennenden Feuers. Ihre Ladung lag in verlockendem Durcheinander herum. Brocken Aquamarinerzes schimmerten im Mondlicht. Walegrins Umhang bedeckte einen Armvoll Dornenreiser - eine List, die Räuber zu überzeugen, daß er und seine Männer zu müde für Wachsamkeit waren und sie ihren Schlaf scheinbar wichtiger nahmen als ihr Leben.
Sie hatten sich wahrhaftig nur wenig ausruhen können, seit sie die halb eingefallene Mine mit dem kostbaren Erz verlassen hatten, und von den fünfundzwanzig Männern, die Freistatt verlassen hatten, waren nur noch sieben übrig. Aber Walegrin war überzeugt, daß seine sechs Unerschrockenen es mit viermal so vielen Männern aus den Bergen aufnehmen konnten.
Seine Gedanken wurden durch den Warnschrei eines Bergfalken unterbrochen. Malm, dem das Auge eines Hirten für bedrohliche Bewegungen eigen war, hatte den Feind erspäht. Walegrin blieb in seinem Versteck, bis das Lager von huschenden, dunklen Gestalten überrannt wurde und eine von ihnen, als sie auf einen Umhang einstach, das Splittern von Holz, nicht von Knochen hörte. Da erst führte er mit erhobenem Schwert seine Männer aus den Schatten.
Diese Gesetzlosen waren besser bewaffnet und kühner als alle, mit denen die Soldaten es bisher zu tun gehabt hatten. Doch Walegrin hatte jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Ohne ihre übliche Überlegenheit über die Kämpfer aus den Bergen wurden seine Männer arg bedrängt. Sein Schwert stahl das Lebensblut von zwei Angreifern, doch dann wurde er selbst
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