Verrat in Paris
besser.«
Richard fuhr rechts ran. »Warum hier?«
»Wir sind gerade an einem Café vorbeigefahren …«
»Oh Jordan«, stöhnte Beryl. »Du hast nicht schon wieder Hunger?«
»Ich treffe euch im Hotel«, verabschiedete sich Jordan und stieg aus. »Außer, ihr beide wollt mitkommen?«
»Und dir beim Essen zusehen? Nein danke, ich passe.«
Jordan knuffte seine Schwester freundschaftlich und warf die Autotür zu. »Ich nehme ein Taxi zurück. Bis später!« Winkend drehte er sich um und ging den Boulevard hinunter, seine blonden Haare glänzten in der Sonne.
»Zurück zum Hotel?« fragte Richard sanft.
Sie sah ihn an und dachte: Ich muss mich die ganze Zeit beherrschen, um ihm widerstehen zu können. Ich sehe ihm in die Augen und sehne mich sofort danach, in seinen Armen zu liegen. Wie leicht wäre es, ihm zu glauben. Und genau das ist die Gefahr.
»Nein«, sagte sie und schaute nach vorn. »Noch nicht.«
»Wohin dann?«
»Pigalle. Rue Myrha.« Er zögerte. »Bist du sicher, dass du dahin willst?«
Sie nickte und sah die Akte auf ihrem Schoß an. »Ich will sehen, wo sie gestorben sind.«
Café Hugo. Ja, das war es, dachte Jordan und sah sich draußen zwischen den gut besetzten Tischen um. Karierte Tischdecken, ein Heer von Kellnern, die Espresso und Cappuccino servieren. Vor genau zwanzig Jahren war Bernard in diesem Café gewesen und hatte Kaffee getrunken. Dann hatte er bezahlt und war gegangen, um in einem Haus am Pigalle ermordet zu werden. Das wusste Jordan aus der Zeugenaussage des Kellners, den die Polizei damals verhört hatte. Doch das war lange her, dachte Jordan. Den Kellner gab es hier wahrscheinlich nicht mehr. Aber man konnte es ja mal versuchen.
Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass Mario Cassini noch immer als Kellner angestellt war. Er war jetzt Mitte vierzig, hatte graumelierte Haare und lustige Lachfältchen. Mario nickte und sagte: »Ja, natürlich erinnere ich mich. Die Polizei hat damals drei- oder viermal mit mir gesprochen. Jedes Mal habe ich ihnen dasselbe gesagt. Monsieur Tavistock kam jeden Morgen auf einen Café au lait vorbei. Manchmal war Madame dabei. Ah, sie war sehr schön!«
»Aber an diesem bestimmten Tag war sie nicht dabei?« Mario schüttelte den Kopf. »Er war allein. Hier saß er.«
Er deutete auf einen leeren Tisch in der Nähe des Bürgersteigs. Das rot karierte Tischtuch flatterte im Wind. »Er wartete lange auf Madame.«
»Aber sie kam nicht?«
»Nein. Dann rief sie an und bat mich, ihm zu sagen, dass er sie woanders treffen soll. Ich notierte die Adresse und gab den Zettel Monsieur Tavistock.«
»Sie hat mit Ihnen gesprochen? Am Telefon?«
»
Oui.
So war es.«
»Und das war die Adresse am Pigalle?« Mario nickte.
»Mein Vater – Monsieur Tavistock – war er sauer? Hatte er einen schlechten Tag?«
»Nein. Er war – wie sagt man – besorgt. Er konnte nicht verstehen, was Madame am Pigalle macht. Er bezahlte den Kaffee und ging. Später las ich dann in der Zeitung, dass er tot ist. Ah,
horrible!
Die Polizei bat um Mithilfe. Also rief ich an und sagte, was ich wusste.« Mario schüttelte den Kopf über die Tragödie: den Verlust einer so schönen Dame wie Madame Tavistock und eines so großzügigen Herrn wie ihrem Mann.
Hier gibt es keine neuen Informationen, dachte Jordan. Er drehte sich um, um zu gehen, doch dann blieb er noch einmal stehen.
»Sind Sie sicher, dass es Madame Tavistock war, die Sie angerufen hat?« hakte er nach.
»Die Anruferin sagte, sie ist es«, entgegnete Mario.
»Haben Sie ihre Stimme erkannt?«
Mario zögerte. Nur einen Moment lang, aber lange genug für Jordan, um zu erkennen, dass er nicht absolut sicher war. »Ja«, sagte Mario. »Wer sonst hätte es sein können?«
In seine Gedanken vertieft verließ Jordan das Café und ging ein paar Schritte den Boulevard Saint-Germain hinunter. Er wollte zu Fuß ins Hotel zurückgehen. Doch einen halben Block weiter entdeckte er den blauen Peugeot. Meine kleine blonde Vampirin ist wieder da, dachte er, und verfolgt mich. Beide hatten dieselbe Richtung; er könnte sie ja fragen, ob sie ihn mitnehmen würde.
Er ging auf den Peugeot zu und öffnete die Beifahrertür.
»Würden Sie mich zum Ritz mitnehmen?« fragte er lächelnd.
Eine wütende Colette starrte ihn an. »Was bilden Sie sich eigentlich ein?« fuhr sie ihn an. »Raus aus meinem Auto!«
»Jetzt kommen Sie schon. Sie brauchen nicht gleich hysterisch zu werden …«
»Verschwinden Sie!« schrie sie so laut, dass
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