Verrat in Paris
Mann?«
Richard nickte. »Das waren politisch sensible Namen. St. Pierre war im Finanzministerium und ein enger Freund des damaligen Premierministers. Sutherland war der amerikanische Botschafter. Sie waren beide nicht tatverdächtig, also hielt man ihre Namen aus der Akte raus.«
»Der brave Inspektor schützte also die Mächtigen?«
»Er war einfach nur diskret.«
»Und warum tauchte dein Name nicht auf?«
»Ich spielte keine große Rolle. Ich wurde nur zur Ehe deiner Eltern befragt. Ob sie sich jemals gestritten haben, ob sie unglücklich erschienen, solche Dinge. Ich war nicht besonders wichtig.«
Sie griff nach der Akte auf ihrem Schoß. »Dann sag mir«, bat sie, »warum du dich jetzt so engagierst?«
»Weil du und Jordan euch eingemischt habt und Claude Daumier mich bat, mich um euch zu kümmern.« Er sah sie an und fuhr leise fort: »Und weil ich es eurem Vater schuldig bin. Er war … ein guter Mann.« Sie dachte, er würde noch etwas hinzufügen, aber er drehte sich um und konzentrierte sich wieder auf die Straße.
»Wolf«, fragte Jordan, der auf dem Rücksitz saß, »wissen Sie, dass wir verfolgt werden?«
»Was?« Beryl drehte sich um und suchte den Verkehr hinter ihnen ab. »Welches Auto?«
»Der blaue Peugeot, zwei Autos hinter uns.«
»Ich sehe ihn«, sagte Richard. »Er folgt uns schon seit dem Hotel.«
»Du weißt die ganze Zeit, dass wir verfolgt werden?« sagte Beryl. »Warum hast du denn nichts gesagt?«
»Ich habe es mir nur gedacht. Sieh dir mal den Fahrer an, Jordan. Blonde Haare, Sonnenbrille. Definitiv eine Frau.«
Jordan lachte. »Ach ja, meine kleine Vampirin. Colette.« Richard nickte. »Sie gehört zu den Guten.«
»Wie kannst du da so sicher sein?« fragte Beryl.
»Weil sie eine von Daumiers Agenten ist. Das heißt, sie beschützt uns. Sie ist keine Bedrohung.« Richard bog vom Boulevard Raspali ab. Einen Augenblick später entdeckte er einen Parkplatz und fuhr rechts ran. »Sie kann auf unser Auto aufpassen, so lange wir drin sind.«
Beryl sah sich das große Backsteingebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite an. Über dem Eingangsportal stand
Maison de Convalescence.
»Was ist das?«
»Ein Pflegeheim.«
»Und hier lebt Inspektor Broussard?«
»Schon seit etlichen Jahren«, antwortete Richard und sah mit einem Blick des Bedauerns an dem Gebäude hoch. »Seit seinem Schlaganfall.«
Dem Foto an der Wand konnte man entnehmen, dass Ex-Chefinspektor Broussard früher ein eindrucksvoller Mann gewesen war. Das Bild zeigte einen bulligen Franzosen mit gezwirbeltem Schnauzbart und einer wahren Löwenmähne, der majestätisch auf den Treppen einer Pariser Polizeistation posierte.
Er hatte wenig Ähnlichkeit mit der eingefallenen Gestalt, die halb gelähmt vor ihnen im Bett lag.
Madame Broussard huschte durch das Zimmer und sprach Englisch mit der präzisen Grammatik einer ehemaligen Englischlehrerin. Sie schüttelte ihrem Mann das Kissen auf, kämmte ihn, wischte ihm die Spucke vom Kinn. »Er erinnert sich an alles«, sagte sie. »An jeden Fall, an jeden Namen. Aber er kann nicht sprechen und keinen Stift halten. Und genau das frustriert ihn! Deshalb erlaube ich eigentlich keinen Besuch. Er würde so gern sprechen können, doch er kann die Worte nicht formulieren. Nur manchmal ein paar. Und das macht ihn wütend! Manchmal, wenn Freunde da waren, ist er tagelang wütend.«
Sie ging ans Kopfende des Bettes, als wollte sie ihn schützen. »Sie stellen ihm nur wenige Fragen, haben Sie verstanden? Wenn er anfängt, sich zu ärgern, müssen Sie sofort gehen.«
»Wir verstehen«, versicherte Richard. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben das Bett. Beryl und Jordan sahen, wie er die Polizeiakte aufklappte und die Fotos vom Tatort auf die Bettdecke legte, damit Broussard sie sehen konnte. »Ich weiß, dass Sie nicht sprechen können«, begann er, »aber sehen Sie sich diese Bilder bitte an. Nicken Sie, wenn Sie sich an den Fall erinnern.«
Madame Broussard übersetzte für ihren Mann. Er starrte das erste Foto an, das Madelines und Bernards Leichen zeigte. Sie lagen da wie ein Liebespaar, um sie herum eine Blutlache. Ungeschickt berührte Broussard das Foto, seine Finger ruhten auf Madelines Gesicht. Seine Lippen formten ein Wort.
»Was sagt er?« erkundigte sich Richard.
»
La Belle.
Eine schöne Frau«, antwortete Madame Broussard. »Sehen Sie? Er erinnert sich.«
Der alte Mann sah sich jetzt die anderen Fotos an, seine linke Hand begann vor Aufregung
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