Verrat in Paris
verdunkelte Windschutzscheibe konnte er ihre Silhouette hinter dem Steuer ausmachen.
Er ging zum Auto und klopfte an die Scheibe. »Colette?« rief er. »Können Sie mich noch mal mitnehmen?«
Sie antwortete nicht. Jordan öffnete die Tür und schwang sich auf den Beifahrersitz. »Colette?«
Sie saß ganz still, ihre Augen starrten geradeaus. Einen Moment lang begriff er nichts. Dann sah er die dünne Blutspur, die von ihrem Haaransatz bis zum schwarzen Rollkragenpullover verlief. Voller Panik rüttelte er an ihrer Schulter. »
Colette?
«
Ihr Körper geriet ins Rutschen und fiel ihm auf den Schoß.
Er starrte ihren Kopf an, der jetzt in seinen Armen lag. An ihrer Schläfe war ein einziges kleines Einschussloch.
Er erinnerte sich nicht, wie er aus dem Wagen kam. Aber er erinnerte sich, dass eine Passantin anfing zu schreien. Dann sah er die schockierten Gesichter der Menschen, die der Schrei angelockt hatte. Sie deuteten auf den Frauenarm, der schlaff aus dem Fahrzeug hing. Und sie blickten ihn fassungslos an.
Wie betäubt sah Jordan auf seine Hände. Sie waren voller Blut.
5. Kapitel
A us der Menge der Passanten, die an der Ecke zusammengekommen waren, beobachtete Amiel Foch, wie dem Engländer Handschellen angelegt wurden und er von der Polizei abgeführt wurde. Das war nicht so vorgesehen, dachte er. Er hatte nicht im Traum daran gedacht, dass so etwas passieren könnte.
Aber er hätte sich auch nicht vorstellen können, dass er Colette LaFarge noch einmal sehen würde. Oder noch schlimmer, von ihr gesehen würde. Sie hatten nur einmal zusammengearbeitet, und das war vor drei Jahren auf Zypern. Er hatte gehofft, dass sie ihn nicht erkennen würde, als er mit gesenktem Kopf an ihrem Wagen vorüberging. Aber als er gerade an ihr vorbei war, hörte er sie erstaunt seinen Namen rufen.
Ich hatte keine andere Wahl, dachte er, als er zusah, wie die Sanitäter ihren leblosen Körper in einen Krankenwagen hoben. Beim französischen Geheimdienst glaubte man, er sei tot. Colette hätte ihnen nun das Gegenteil erzählen können. Er musste es tun.
Es war nicht leicht für ihn gewesen. Doch als er sich zu ihr umdrehte, war seine Entscheidung bereits gefallen. Er war langsam zurück zum Auto gegangen. Durch die Windschutzscheibe hatte er auf ihrem Gesicht die Verwunderung darüber gesehen, dass ihr tot geglaubter Kollege lebte. Wie gelähmt hatte sie dagesessen und ihn angestarrt wie eine Erscheinung. Sie hatte sich nicht gerührt, als er zur Fahrertür ging. Und sie hatte sich auch nicht gerührt, als er seine schallgedämpfte Automatic durch die Autoscheibe auf sie richtete und feuerte.
Was für eine Verschwendung – so eine hübsche Frau, dachte er, als der Krankenwagen davonfuhr. Aber sie hätte es besser wissen müssen.
Die Menge zerstreute sich. Auch er sollte besser gehen.
Foch machte einen Schritt in Richtung Bordstein. Unauffällig ließ er seine Pistole in den Rinnstein fallen und schob sie mit dem Fuß in einen Gully. Die Waffe war sowieso gestohlen und der Besitzer nicht mehr aufzuspüren; es war besser, wenn man sie in der Nähe des Tatorts fand. Das würde die Sache für Jordan Tavistock schwieriger machen.
Ein paar Blocks weiter betrat er eine Telefonzelle. Er rief seinen Kunden an.
»Jordan Tavistock wurde gerade wegen Mordverdachts festgenommen«, sagte Foch.
»Mord an wem?« kam die scharfe Antwort. »An einem von Daumiers Agenten. Einer Frau.«
»War es Tavistock?«
»Nein. Ich war es.«
Plötzlich fing sein Kunde an zu lachen. »Das ist wirklich köstlich! Ich bitte Sie, Jordan zu verfolgen, und daraufhin sorgen Sie dafür, dass er wegen Mordverdachts verhaftet wird. Ich bin sehr gespannt, was Sie mit seiner Schwester anstellen!«
»Was soll ich tun?« fragte Foch.
Eine Pause folgte. »Ich denke, wir sollten die Sache endgültig klären«, hörte er. »Machen Sie Schluss.«
»Die Frau ist kein Problem. Aber ihr Bruder wird schwer zu fassen sein, wenn ich es nicht schaffe, irgendwie ins Gefängnis zu kommen.«
»Sie könnten sich doch auch verhaften lassen.«
»Und wenn sie meine Fingerabdrücke nehmen?« Foch schüttelte den Kopf. »Das muss ein anderer übernehmen.«
»Ich werde jemanden finden«, kam die Antwort. »Aber eins nach dem anderen. Jetzt ist erst mal Beryl Tavistock dran.«
Inzwischen besaß ein Türke das Gebäude in der Rue Myrha. Er hatte es zu renovieren versucht und die Hauswand gestrichen, die vergammelten Balkone abgerissen und die fehlenden Dachziegel ersetzt.
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