Verrat in Paris
auf Reggie. Der liebe Reggie, dessen frühere Freundschaft mit Madeline ihn fast zu einem Familienmitglied machte.
Sie sagte: »Ich weiß, du willst nur das Beste für mich, Reggie, aber ich kann jetzt nicht aus Paris weg.«
Die beiden Männer sahen sich an und wechselten enttäuschte Blicke. Aber überrascht waren sie nicht. Schließlich hatten sie beide Madeline gekannt; von ihrer Tochter war dieselbe Sturheit zu erwarten.
Es klopfte an die Tür des Arbeitszimmers. Helena steckte den Kopf herein. »Darf ich reinkommen?«
»Natürlich«, antwortete Beryl.
Helena betrat den Raum. Sie hatte ein Tablett mit Tee und Biskuits dabei, das sie auf dem Beistelltisch abstellte.
»Ich frage lieber vorher«, sagte sie mit einem Lächeln und goss vier Tassen ein, »bevor ich in Reggies Reich eindringe.«
Sie gab Beryl eine Tasse. »Sind wir denn schon weitergekommen?«
Als Antwort erntete sie Schweigen. Ihr war klar, was das bedeutete, und sie sah Beryl bedauernd an. »Oh Beryl. Es tut mir so Leid. Und du kannst
wirklich
gar nichts tun, Reggie?«
»Ich tue es bereits«, sagte Reggie sichtlich genervt. Er drehte ihr den Rücken zu, nahm eine Pfeife vom Kaminsims und steckte sie sich an. Einen Moment lang war nur das Klappern der Teetassen auf den Untertellern zu hören und das sanfte Schmatzen von Reggie, der an seiner Pfeife sog.
»Reggie?« versuchte es Helena noch einmal. »Einen Anwalt anzurufen ist lediglich eine Reaktion. Wie wäre es mit einer
Aktion?
«
»Zum Beispiel?« fragte Richard.
»Na ja, das Verbrechen an sich. Wir wissen alle, dass Jordan es nicht gewesen sein kann. Wer war es dann?«
Reggie seufzte vernehmlich. »Du bist wohl kaum als Kriminalkommissar geeignet.«
»Trotzdem muss diese Frage beantwortet werden. Die junge Frau wurde ermordet, während sie Jordan beschützen sollte. Das hat doch alles damit zu tun, dass Jordan überhaupt in Paris ist. Mir will nur nicht in den Kopf, warum ein zwanzig Jahre zurückliegender Mordfall heute noch jemandem gefährlich werden kann.«
»Es ging um mehr als nur um Mord«, gab Beryl zu bedenken. »Auch um Spionage.«
»Die Sache mit dem NATO-Leck«, sagte Reggie zu Helena. »Du erinnerst dich, Hugh hat uns davon erzählt.«
»Oh ja. Delphi.« Helena sah Richard an. »Der MI 6 hat ihn nie wirklich identifiziert, oder?«
»Sie hatten eine Vermutung«, antwortete Richard.
»Ich selbst habe mich gefragt«, sagte Helena und nahm sich ein Biskuit, »ob es nicht Botschafter Sutherland war. Schließlich hat er kurz nach dem Tod von Madeline und Bernard Selbstmord begangen.«
Richard nickte. »Da denken Sie und ich in dieselbe Richtung, Lady Helena.«
»Obwohl er natürlich auch andere Gründe gehabt haben könnte, um von dieser Brücke zu springen. Wenn ich mit Nina verheiratet wäre, hätte ich mich auch schon lange umgebracht.« Helena biss energisch in ihr Biskuit – wie um zu zeigen, dass auch unscheinbare Frauen nicht unbedingt kraftlos sein müssen.
Reggie klopfte seine Pfeife aus und sagte: »Darüber sollten wir nicht spekulieren.«
»Aber man macht sich schon seine Gedanken, oder etwa nicht?«
Als Reggie seine Gäste zur Haustür brachte, war es schon lange dunkel. Für die Jahreszeit war die Nacht zu kalt und zu feucht. Selbst die hohen Mauern um das Anwesen der Vanes konnten das Gefühl der Bedrohung nicht fern halten, das an jenem Abend in der Luft lag.
»Ich verspreche dir«, sagte Reggie, »dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht.«
»Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll«, murmelte Beryl.
»Schenk mir ein Lächeln, meine Liebe. Ja, so ist es recht.« Reggie zog sie an den Schultern zu sich und küsste sie auf die Stirn. »Du wirst deiner Mutter von Tag zu Tag ähnlicher. Ein größeres Kompliment kann ich dir nicht machen, finde ich.« Er wandte sich an Richard. »Du kümmerst dich um sie?«
»Ich verspreche es«, versicherte Richard.
»Gut. Denn sie ist alles, was wir noch haben.« Traurig tätschelte er Beryls Wange. »Alles, was wir noch von Madeline haben.«
»Waren die beiden schon immer so zueinander?« fragte Beryl. »Reggie und Helena?«
Richard hatte den Blick auf die Straße gerichtet. »Wie meinst du das?«
»Dass sie so lieblos miteinander umgehen. Sich gegenseitig niedermachen.«
Er lachte in sich hinein. »Ich bin so daran gewöhnt, dass mir das schon gar nicht mehr auffällt. Ja, ich glaube, das war schon so, als ich sie vor zwanzig Jahren kennen gelernt habe. Ich denke, es hat was damit zu tun, dass
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