Verrat in Paris
Jordan freigelassen hat. Nicht, bis wir diese Sache zu Ende gebracht haben.«
»Ich hatte befürchtet, dass du so reagieren würdest. Aber es überrascht mich nicht. Erst neulich hast du zu mir gesagt, du hättest einen Dickkopf!«
Sie sah ihn an und erahnte im Halbdunkeln sein Lächeln.
»Es ist nicht meine Dickköpfigkeit, Richard. Es ist Loyalität. Jordan gegenüber, meinen Eltern gegenüber. Wir sind Tavistocks, verstehst du, und wir halten zusammen.«
»Dass du Jordan nicht im Stich lassen willst, sehe ich ein. Aber deine Eltern sind tot.«
»Das ist eine Sache der Ehre.«
Er schüttelte den Kopf. »Bernard und Madeline haben von dieser Art Ehrerweisung nichts mehr. Das ist ja wie im Mittelalter, als man für etwas so Abstraktes wie einen Familiennamen in die Schlacht zog.«
Sie stieg aus dem Wagen. »Dein Familienname bedeutet dir offensichtlich überhaupt nichts«, sagte sie kalt.
Er sprang aus dem Wagen und begleitete sie durch die Hotelhalle zum Aufzug. »Vielleicht liegt es daran, dass ich Amerikaner bin; jedenfalls ist mein Name für mich das, was
ich
daraus mache. Ich trage mein Familienwappen nicht auf der Stirn.«
»Das kannst du eben nicht verstehen.«
»Natürlich nicht«, erwiderte er scharf, als sie aus dem Aufzug stiegen. »Ich bin ja nur ein dummer Yankee.«
»Das habe ich nicht gesagt!«
Er folgte ihr in ihr Zimmer und schlug geräuschvoll die Tür hinter sich zu. »Aber es ist offensichtlich, dass ich ihrer Ladyschaft nicht gut genug bin.«
Sie wirbelte herum und sah ihn wütend an. »Das hältst du mir also vor! Meinen Namen und mein Vermögen.«
»Was mich stört, hat nichts damit zu tun, dass du eine Tavistock bist.«
»Und was stört dich dann?«
»Dass du so unvernünftig bist!«
»Aha. Meine Dickköpfigkeit.«
»Ganz genau. Und dein sinnloses Ehrgefühl. Und deine … deine …«
Sie baute sich vor ihm auf. Sie reckte ihr Kinn nach vorn und sah ihm in die Augen. »Meine was?«
Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie auf den Mund. Es war ein langer und heftiger Kuss, so dass sie kaum noch Luft bekam. Als er sie schließlich losließ, hatte sie weiche Knie und ihr Puls rauschte ihr in den Ohren.
»
Das
stört mich«, sagte er. »Ich kann nicht klar denken, wenn du in der Nähe bist. Ich kann nicht mal mehr meine Schnürsenkel binden. Du gehst an mir vorbei, du siehst mich an, und meine Gedanken gehen in eine Richtung, die ich jetzt nicht näher erläutern will. In einer solchen Situation macht man Fehler. Und ich mache nicht gern Fehler.«
»Du kannst dich nicht konzentrieren, und ich muss deshalb nach Hause fliegen?« Sie drehte sich um und ging in Richtung der Verbindungstür zu Jordans Zimmer. »Entschuldige, Richard«, sagte sie, als sie am Fenster vorbeiging, »aber du musst deine männlichen Hormone vielleicht besser…«
Der Rest des Satzes wurde vom Splittern der Fensterscheibe übertönt.
Reflexartig sprang sie zur Seite. Im nächsten Moment war Richard bei ihr und riss sie zu Boden.
Eine zweite Kugel schwirrte durchs Fenster und schlug mit dumpfem Klatschen in der Wand gegenüber ein.
»Licht aus!« rief Richard. »Wir müssen das Licht ausmachen!« Er kroch zur Nachttischlampe. Er hatte es noch nicht ganz geschafft, da zersplitterte das zweite Fenster. Glassplitter rieselten auf ihn herab.
»Richard!« schrie Beryl.
»Bleib unten!« Er holte tief Luft und rollte sich über den Boden. Dann riss er die Lampenschnur aus der Steckdose.
Im nächsten Moment war das Zimmer in Dunkelheit getaucht. Der einzige Lichtschein kam durch die Fenster herein, von den Laternen auf dem Place Vendôme. Eine beängstigende Stille legte sich über den Raum. Nur ihr Herz hörte Beryl laut klopfen.
Langsam richtete sie sich auf.
»Nicht bewegen!« warnte Richard sie.
»Er kann uns nicht sehen.«
»Vielleicht hat er ein Infrarotgewehr. Bleib unten!«
Beryl ließ sich wieder fallen. Glassplitter bohrten sich durch ihren Ärmel in ihre Haut. »Von wo kam das?«
»Vermutlich von einem der Gebäude auf der anderen Seite des Platzes. Präzisionsgewehr.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Wir bitten um Verstärkung.« Sie hörte ihn in der Dunkelheit herumkriechen, dann fiel das Telefon zu Boden. Einen Moment später hörte sie ihn fluchen. »Die Leitung ist tot. Jemand hat das Kabel durchtrennt.«
Wieder stieg Panik in Beryl auf. »Du meinst, sie waren hier im Zimmer?«
»Das bedeutet …« Er verstummte plötzlich.
»Richard?«
»Psst. Sei mal
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