Verrat in Paris
er was gegen Helenas Geld hat. Kein Mann fühlt sich gerne ausgehalten.«
»Nein«, sagte sie leise und richtete den Blick nach vorn. »Ich schätze, das mag kein Mann gern.« Wäre es auch bei uns beiden so, fragte sie sich. Würde er mir mein Vermögen vorhalten? Würde diese Abneigung sich über die Jahre so steigern, dass wir wie Reggie und Helena enden würden, deren gemeinsames Leben die Hölle ist?
»Außerdem kommt dazu«, fuhr Richard fort, »dass Reggie Paris nie gemocht hat und auch nie gerne bei der Bank war. Helena hat ihn bequatscht, diese Stelle anzunehmen.«
»Aber ihr scheint es hier doch auch nicht gerade gut zu gefallen.«
»Nein. Und deshalb keifen sie sich immer an. Ich erinnere mich an Partys, auf denen sie waren und auf denen auch deine Eltern waren. Das war ein Gegensatz wie Tag und Nacht. Bernard und Madeline wirkten immer wie frisch verliebt. Andererseits musste sich jeder Mann zumindest ein bisschen in deine Mutter verlieben. Es ging gar nicht anders.«
»Was war denn so besonders an ihr?« fragte Beryl. »Du hast mal gesagt, dass sie … bezaubernd war.«
»Als ich sie kennen lernte, war sie schon Ende dreißig. Sie hatte hier und da ein graues Haar und ein paar Lachfältchen. Aber sie war faszinierender als jede Zwanzigjährige, die ich kannte. Es überraschte mich sehr zu hören, dass sie gar nicht von Geburt an adelig war.«
»Sie stammte aus Cornwall. Spanische Vorfahren. Dad traf sie eines Sommers, als er dort Urlaub machte.« Beryl lächelte. »Er sagte, dass sie ihn bei einem Wettlauf besiegte, noch dazu barfuß. Und da wusste er, dass sie die Richtige für ihn war.«
»Sie passten in jeder Hinsicht gut zusammen. Ich vermute, das faszinierte mich so an den beiden – ihr Glücklichsein. Meine Eltern hatten sich scheiden lassen. Es war eine ziemlich unschöne Trennung, und seitdem habe ich keine besonders hohe Meinung von der Ehe. Aber bei deinen Eltern sah es so leicht aus.« Er schüttelte den Kopf. »Ihr Tod hat mich sehr schockiert. Ich konnte einfach nicht glauben, dass Bernard …«
»Er war es nicht. Ich weiß, dass er es nicht war.«
Nach einer Pause sagte Richard: »Ich auch.«
Sie fuhren eine Zeit lang, ohne etwas zu sagen. Die Lichter des Gegenverkehrs erhellten immer wieder ihre Gesichter.
»Hast du deshalb nie geheiratet?« fragte sie. »Wegen der Scheidung deiner Eltern?«
»Das war ein Grund. Der andere war, dass ich nie die richtige Frau getroffen habe.« Er sah sie an. »Warum bist du nicht verheiratet?«
Sie zuckte die Schultern. »Nie der richtige Mann.«
»Aber es gab doch bestimmt jemanden in deinem Leben.«
»Ja, gab es. Für eine ganze Weile.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und starrte hinaus in die vorbeifliegende Dunkelheit.
»Und es hat nicht funktioniert?« Ihr gelang ein mühseliges Lachen. »Zum Glück nicht.«
»Höre ich da eine Spur von Verbitterung?«
»Eher Enttäuschung. Als wir uns kennen lernten, dachte ich, er ist was Besonderes. Er war Chirurg und kurz davor, auf eine Hilfsmission nach Nigeria zu gehen. Man trifft selten jemanden, dem die Menschheit wirklich am Herzen liegt. Ich besuchte ihn zweimal in Afrika. Da war er wirklich in seinem Element.«
»Und was geschah dann?«
»Wir waren eine Weile zusammen. Und dann merkte ich langsam, wie er sich selbst sah – als toller weißer Retter. Er rauschte in ein primitives Buschkrankenhaus, rettete ein paar Menschenleben und flog dann wieder nach England, um sich dort bewundern zu lassen. Und Bewunderung konnte er nie genug bekommen, wie sich herausstellte. Eine einzige Frau, die ihn vergötterte, reichte nämlich nicht. Es musste gleich ein Dutzend sein.« Leise fügte sie hinzu: »Und ich wollte die Einzige sein.« Sie lehnte sich im Sitz zurück und schaute hinaus auf die funkelnden Lichter von Paris. Die Stadt des Lichts, dachte sie. Eine Stadt, die gleichzeitig voller Schatten war, voller dunkler Gassen und noch dunklerer Geheimnisse.
Zurück am Place Vendôme, blieben sie noch eine Weile im Auto sitzen. Sie sagten nichts, saßen nur nebeneinander da. Wir sind beide erschöpft, dachte sie. Und die Nacht ist noch nicht vorbei. Ich muss für Jordan ein paar Sachen packen – die Zahnbürste, Kleidung zum Wechseln –, und sie ihm ins Gefängnis bringen …
»Ich kann dich also nicht überreden abzureisen«, sagte er.
Sie schaute hinaus auf den Platz und sah die Silhouette eines Liebespaars, das Arm in Arm durch die Dunkelheit spazierte. »Nein. Nicht, bevor man
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