Verrat in Paris
Abschied zu. »Guten Abend, Monsieur Tavistock. Ich hoffe, Ihre neue Zelle sagt Ihnen etwas mehr zu.« Und damit ging er.
Was zum Teufel geht hier vor? überlegte Jordan. Darüber dachte er den ganzen Weg zu seiner Zelle nach – zu seiner neuen Zelle. Ein Blick auf die dunklen Gestalten, die ihn dort erwarteten, verstärkten sein Misstrauen Monsieur Jarre gegenüber zusätzlich.
Diese
Zelle sollte ihm mehr zusagen?
Widerwillig trat Jordan ein. Er zuckte zusammen, als die Tür hinter ihm zuschlug. Der Schließer ging davon, seine Schritte hallten über den Flur.
Die beiden Zellenbewohner starrten auf seine italienischen Schuhe, die in krassem Gegensatz zu der regulären Gefängniskleidung standen, die er trug.
»Hallo«, sagte Jordan, weil er das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen.
»
Anglais?
« erkundigte sich einer der beiden Männer nach seiner Herkunft.
Jordan schluckte. »
Oui. Anglais.
« Der Mann grunzte und deutete auf eine leere Pritsche. »Deine.«
Jordan ging zu der Pritsche, setzte das Bündel mit seiner Kleidung am Fußende ab und streckte sich auf der Matratze aus. Die beiden anderen schwatzten auf Französisch weiter, während Jordan sich immer noch Gedanken über den schmierigen Anwalt machte und warum ihn dieser über seinen Onkel belogen hatte. Wenn er nur mit Beryl Kontakt aufnehmen und sie fragen könnte, was los ist …
Er setzte sich auf, als sich Schritte der Zelle näherten. Es war die Wache, die einen neuen Häftling brachte – einen Mann mit schütterem Haar, rundem Gesicht und Watschelgang. Er sah eigentlich ganz nett aus, ein Typ Mann, den man eher hinter einem Verkaufstresen im Laden um die Ecke vermuten würde. Nicht gerade der typische Verbrecher, dachte Jordan. Aber das bin ich schließlich auch nicht.
Der Mann betrat die Zelle, und man wies ihm die vierte und letzte Pritsche zu. Er setzte sich und sah aus, als sei er überrascht über die Umstände, in denen er sich befand. Sein Name war François, und nach dem, was Jordan mit seinen dürftigen Französischkenntnissen verstehen konnte, schien er ein Verbrechen begangen zu haben, das mit dem schwachen Geschlecht zu tun hatte. Vielleicht hatte er eine Prostituierte angesprochen? François schien nicht besonders erpicht darauf, es zu erzählen. Er saß ganz einfach auf seinem Bett und starrte den Fußboden an. Wir sind beide Neulinge hier, dachte Jordan.
Die anderen beiden Insassen beobachteten Jordan immer noch. Es waren mürrische junge Männer, beide ganz offensichtlich Soziopathen. Auf die würde er ein Auge haben müssen.
Das Abendessen kam – ein grauenhaftes Gulasch mit französischem Weißbrot. Jordan starrte die braune Masse an und dachte sehnsüchtig an das Dinner vom Vorabend – pochierten Lachs und gebratenes Stubenküken. Aber na gut. Man musste eben essen, was es gab. Schade, dass zum Essen kein Wein gereicht wurde. Ein schöner Beaujolais vielleicht oder ein schlichter Burgunder. Er aß einen Bissen Gulasch und kam zu dem Schluss, dass er sich sogar über einen schlechten Wein freuen würde – Hauptsache, er würde diesen faden Geschmack des Essens überdecken. Jordan zwang sich, das Gulasch zu essen, und gelobte im Stillen, dass er als Erstes, wenn er hier rauskäme –
falls
er hier rauskäme –, in ein gutes Restaurant gehen würde.
Um Mitternacht wurde das Licht ausgeschaltet. Jordan streckte sich auf der Decke aus und versuchte zu schlafen, aber es gelang ihm nicht. Zum einen, weil seine Zellengenossen so laut schnarchten, als wollten sie Tote aufwecken. Zum anderen, weil die Ereignisse des Tages ihm durch den Kopf gingen. Die Fahrt mit Colette über den Boulevard Saint-Germain. Wie sie in den Rückspiegel geschaut hatte. Wenn er nur genauer darauf geachtet hätte, wer ihnen zum Hotel gefolgt sein könnte. Und dann erinnerte er sich wider Willen daran, wie er sie im Auto gefunden hatte, wie ihr Blut an seinen Händen geklebt hatte.
In ihm stieg Wut auf – eine ohnmächtige Wut über ihren Tod. Es ist meine Schuld, dachte er. Wenn sie ihn nur nicht hätte bewachen müssen!
Doch das konnte nicht der Grund sein, warum man sie umgebracht hatte, überlegte er weiter. Er war ja gar nicht in der Nähe, als der Mord geschah. Warum wurde sie dann getötet?
Hatte sie vielleicht etwas gewusst, irgendetwas gesehen …?
… oder jemanden?
Seine Gedanken rasten in eine neue Richtung. Colette musste im Rückspiegel jemanden erkannt haben, jemanden in einem Auto, das ihnen folgte. Nachdem sie Jordan beim
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