Verrat in Paris
plötzlich auf. »Geht es um Jordan? Ist was passiert?«
Im Halbdunkel sah sie Richard nicken. »Man hat versucht, ihn umzubringen.«
»Geniale Methode«, sagte Claude Daumier, als er den Kugelschreiber behutsam auf den Tisch legte. »Eine Subkutannadel und eine Druckspritze. Ein kleiner Einstich und die Substanz wird dem Opfer injiziert.«
»Welche Substanz?« fragte Beryl.
»Das wird noch untersucht. Morgen früh ist der Autopsietermin. Aber es scheint klar, dass diese Substanz den Tod herbeigeführt hat. Das Opfer hat keine Verletzungen, die auf etwas anderes schließen lassen.«
»Dann wird man Jordan nicht für diesen Mord verantwortlich machen können?« fragte Beryl erleichtert.
»Kaum. Er kommt in Isolationshaft, keine Mithäftlinge, zwei Wachen vor der Tür. Es sollte keine weiteren Vorkommnisse geben.«
Die Tür des Konferenzzimmers öffnete sich. Jordan kam herein, von zwei Wärtern begleitet. Du lieber Gott, er sieht furchtbar aus, dachte Beryl, während sie aufstand und auf ihn zuging, um ihn zu umarmen. Noch nie hatte sie ihren Bruder so ungepflegt gesehen. Am Kinn sprossen ihm dichte blonde Bartstoppeln und seine Häftlingskleidung war total zerknittert. Doch als sie sich wieder losließen, erkannte sie in seinen Augen immer noch den alten Jordan, den gut gelaunten und ironischen Jordan.
»Und dir ist nichts passiert?« fragte sie.
»Ich habe nicht mal einen Kratzer«, sagte er. »Na gut, vielleicht doch«, räumte er mit einem Blick auf seine mit blauen Flecken verzierte Faust ein. »Das ist der Tod meiner Maniküre.«
»Jordan, ich habe nie einen Anwalt namens Jarre angeheuert. Der Mann war ein Betrüger.«
»Das habe ich mir schon gedacht.«
»Ich habe einen Monsieur Laurent engagiert, von dem Reggie sagt, dass er der Beste überhaupt ist. Er sollte so schnell wie möglich zu dir kommen.«
»Bedauerlicherweise wird mich aber selbst der Beste nicht so schnell hier rausholen können«, merkte Jordan niedergeschlagen an. »Ich scheine mich zu einem Langzeitbewohner dieser netten Einrichtung zu entwickeln. Falls mich das Essen nicht vorher umbringt.«
»Kannst du nicht einmal ernst sein?«
»Du hast eben das Gulasch hier nicht probiert.«
Erschöpft wandte sich Beryl an Daumier. »Was ist mit dem Toten? Wer war er?«
»Laut Unterlagen der Haftanstalt«, sagte Daumier, »handelt es sich um François Parmentier, einen Hausmeister. Er saß wegen ordnungswidrigen Verhaltens ein.«
»Und wie kam er in Jordans Zelle?« erkundigte sich Richard.
»Es scheint so, dass sein Anwalt, Monsieur Jarre, den Antrag stellte, seine beiden Mandanten in eine Zelle zu verlegen.«
»Nicht nur den Antrag«, fügte Richard hinzu. »Es war wohl Bestechung. Jarre und der tote Mann bildeten ein Team.«
»Und in wessen Auftrag?« fragte Jordan.
»Im Auftrag derselben Leute, die versucht haben, Beryl umzubringen«, erwiderte Richard.
»Was?«
»Vor ein paar Stunden wurde mit einem Präzisionsgewehr auf sie geschossen.«
»Und du bist immer noch in Paris?« Jordan wandte sich an seine Schwester. »Jetzt reicht’s. Du fliegst nach Hause, Beryl. Und zwar sofort.«
»Ich habe auch schon versucht, ihr das begreiflich zu machen«, sagte Richard. »Aber sie will nicht hören.«
»Natürlich nicht. Das tut meine liebe kleine Schwester nie.«
»Stimmt, Jordie«, sagte Beryl. »Ich habe keine andere Wahl. Deshalb bleibe ich hier.«
»Du könntest getötet werden.«
»Du auch.«
Sie standen sich gegenüber, keiner bereit nachzugeben. Wir sind an einem toten Punkt angelangt, dachte Beryl. Er macht sich meinetwegen Sorgen und ich mir seinetwegen. Und weil wir beide Tavistocks sind, wird sich keiner von uns geschlagen geben.
Aber ich habe die Oberhand. Er ist im Gefängnis und ich nicht.
Jordan drehte sich um und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Verdammt noch mal, überzeugen Sie sie, Wolf!« murmelte er.
»Das versuche ich ja«, sagte Richard. »Dabei haben wir übrigens die grundlegende Frage noch gar nicht geklärt – wer will, dass ihr getötet werdet?«
Sie verfielen in Schweigen. Völlig erschöpft sah Beryl ihren Bruder an. Er war doch der Schlaumeier in der Familie! Wenn er keine Antwort darauf wusste, wer dann?
»Der Schlüssel zu allem«, überlegte Jordan, »ist François, der Tote.« Er sah Daumier an. »Was weiß man sonst über ihn? Hat er Freunde, Familie?«
»Eine Schwester«, antwortete Daumier, »die in Paris lebt.«
»Haben Ihre Leute schon mit ihr gesprochen?«
»Das ist
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