Verrat in Paris
bestätigt
…«
»Der Coroner könnte die Fakten falsch interpretiert haben«, 53
bemerkte Jordan.
»Ich sah die Leichen in der Mansarde liegen. Etwas, was ich wohl nie vergessen werde.« Daumier hielt kurz inne, als wollte er die Erinnerung abschütteln. »Ihre Mutter starb mit drei Kugeln in der Brust. Neben ihr lag Bernard mit einer Kugel im Kopf. Auf der Waffe waren seine Fingerabdrücke. Es gab weder Zeugen noch andere Tatverdächtige.«
Daumier schüttelte den Kopf. »Die Beweise sprechen für sich.«
»Aber was soll das Motiv gewesen sein?« fragte Beryl.
»Warum sollte er jemanden umbringen, den er liebt?«
»Vielleicht liegt gerade hier das Motiv«, sagte Daumier.
»Liebe. Oder eher der Verlust von Liebe. Vielleicht hatte sie jemand anderen gefunden …«
»Das ist unmöglich«, unterbrach Beryl ihn vehement. »Sie hat ihn geliebt.«
Daumier sah sein Glas an. Leise sagte er: »Dann haben Sie nicht gelesen, was der Vermieter, Monsieur Rideau, bei der Polizei zu Protokoll gegeben hat?«
Beryl und Jordan sahen ihn erstaunt an. »Rideau? Ich erinnere mich nicht, in der Akte etwas von einem Rideau gelesen zu haben«, antwortete Jordan.
»Weil ich diesen Teil der Akte für Hugh nicht beigefügt habe.
Aus Gründen der … Diskretion.«
Diskretion, dachte Beryl. Er wollte also eine peinliche Tatsache vertuschen.
»Die Mansarde, in der die Leichen gefunden wurden«, erläuterte Daumier, »war von einer gewissen Mademoiselle Scarlatti angemietet worden. Nach Aussage des Vermieters Rideau benutzte Frau Scarlatti die Wohnung nur ein- bis zweimal die Woche. Und nur zu einem bestimmten Zweck …«
Er machte eine viel sagende Pause.
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»Um ihren Liebhaber zu treffen?« folgerte Jordan
unumwunden.
Daumier nickte. »Nach den Todesschüssen sollte der
Vermieter die Leichen identifizieren. Rideau sagte bei der Polizei aus, dass die Frau, die er als Mademoiselle Scarlatti kannte, dieselbe war, die tot in der Wohnung lag. Ihre Mutter.«
Beryl sah ihn schockiert an. »Sie wollen mir sagen, meine Mutter hatte einen Geliebten?«
»Laut Aussage des Vermieters.«
»Dann müssen wir mit diesem Vermieter sprechen.«
»Das ist leider nicht möglich«, sagte Daumier. »Das Gebäude wurde mehrfach verkauft, und Monsieur Rideau hat das Land verlassen. Ich habe keine Ahnung, wo er ist.«
Beryl und Jordan schwiegen erstaunt. Das war also Daumiers Theorie, dachte Beryl. Dass ihre Mutter einen Liebhaber hatte, den sie ein- bis zweimal die Woche in der Wohnung in der Rue Myrha traf. Und dass ihr Vater es herausfand und dann erst sie und anschließend sich selbst umbrachte.
Sie sah Richard an und entdeckte etwas wie Mitgefühl in seinem Blick. Also glaubt er es auch, dachte sie. Plötzlich hasste sie ihn dafür, dass er hier war und das peinlichste Geheimnis ihrer Familie erfahren hatte.
Ein leises Piepen ertönte. Daumier griff in seine Innentasche und warf einen Blick auf seinen Pager. »Es tut mir Leid, aber ich muss gehen«, sagte er.
»Und was ist mit der geheimen Akte?« fragte Jordan. »Sie haben uns nichts zu Delphi gesagt.«
»Darüber sprechen wir später. Dieses Attentat, Sie verstehen –
wir stecken hier gerade in einer Krisensituation.«
Daumier glitt aus der Nische und griff nach seiner
Aktentasche. »Morgen vielleicht? In der Zwischenzeit genießen Sie Ihren Aufenthalt in Paris. Und wenn Sie hier essen wollen, 55
empfehle ich das Stubenküken. Ganz ausgezeichnet.«
Mit einem Nicken verabschiedete er sich und verließ eilig das Restaurant.
»Na, das war ja eine klare Auskunft«, stellte Jordan frustriert fest. »Er schmeißt uns eine Bombe hin und geht selbst in Deckung. Er hat keine einzige unserer Fragen beantwortet.«
»Ich glaube, das war von Anfang an sein Plan«, spekulierte Beryl. »Uns etwas so Schreckliches mitzuteilen, dass wir nicht weiter fragen.« Sie sah Richard an. »Habe ich Recht?«
Er hielt ihrem Blick stand. »Warum fragst du mich das?«
»Weil ihr beide euch offensichtlich sehr gut kennt. Ist das Daumiers übliche Vorgehensweise?«
»Claude verrät keine Geheimnisse. Aber er hilft gern alten Freunden, und euer Onkel Hugh ist so ein alter Freund. Ich glaube, Claude handelt in eurem Interesse.«
Alte Freunde, dachte Beryl. Daumier und Onkel Hugh und Richard Wolf – sie alle verband eine rätselhafte Vergangenheit, über die sie nicht sprechen wollten. Genau so kannte sie es von Chetwynd. Geheimnisvolle Männer, die in Limousinen
vorfuhren und Hugh besuchten. Manchmal
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