Verrat in Paris
mir auf Schritt und Tritt. Sie bleiben stehen, wenn 70
ich stehen bleibe, und Sie beobachten mich.«
»Das ist ja absurd!« Wütend funkelte sie ihn an. Gespielt oder echt? Er war sich nicht sicher. »Ich habe nicht das geringste Interesse an Ihnen, Monsieur! Das bilden Sie sich ein!«
»Ach ja?«
Statt einer Antwort drehte sie sich um und stolzierte die Rue de la Paix hinunter.
»Das glaube ich nicht!« rief er ihr hinterher.
»Ihr Engländer seid alle gleich!« schimpfte sie ihn über die Schulter an.
Jordan sah ihr nach, als sie davonstürmte und fragte sich, ob er vielleicht wirklich falsche Schlüsse gezogen hatte. Wenn ja, hatte er sich gerade zum Idioten gemacht! Die Frau bog um eine Ecke und verschwand, und er empfand einen kurzen Moment lang Bedauern. Immerhin war sie recht attraktiv gewesen. Große graue Augen, unglaublich schöne Beine.
Aber was soll’s.
Er drehte sich um und setzte seinen Weg zum Hotel fort. Als er die Lobby des Ritz betreten wollte, brachte ihn eine Art siebter Sinn dazu, stehen zu bleiben und sich umzudrehen. In einem Hauseingang bemerkte er eine schnelle Bewegung, und er erhaschte einen Blick auf blonde Haare, die gerade im Dunkel verschwanden. Sie folgte ihm also immer noch.
Daumier nahm nach dem fünften Klingeln den Hörer ab.
»Hallo?«
»Claude, ich bin’s«, sagte Richard. »Lässt du uns verfolgen?«
Eine kleine Pause, dann antwortete Daumier: »Eine reine Vorsichtsmaßnahme, mein Freund. Sonst nichts.«
»Zu unserem Schutz oder zu unserer Beobachtung?«
»Natürlich zu eurem Schutz! Ein Gefallen für Hugh –«
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»Na super! Wir haben uns zu Tode erschreckt! Du hättest mir wenigstens Bescheid sagen können.« Richard sah Beryl an, die nervös im Zimmer auf und ab lief. Sie würde es nicht zugeben, aber sie hatte Angst, und sie war froh, dass er trotz all ihrer Versuche, ihn rauszuschmeißen, geblieben war. »Noch was«, fuhr er, zu Daumier gewandt, fort. »Jordan ist uns abhanden gekommen.«
»Abhanden gekommen?«
»Er ist nicht in seinem Zimmer. Wir ließen ihn vor ein paar Stunden hier zurück, seitdem ist er verschwunden.«
Einen Moment war es still. »Das ist bedenklich«, befand Daumier.
»Wissen deine Leute, wo er ist?«
»Meine Agentin hat sich noch nicht gemeldet. Ich denke, dass sie sich …«
» Sie? «unterbrach ihn Richard.
»Nicht gerade unsere erfahrenste Frau, wie ich zugeben muss, aber doch effektiv.«
»Uns hat heute Abend ein Mann verfolgt.«
Daumier lachte. »Richard, ich bin enttäuscht von dir! Ich hätte dir zugetraut, dass du diesen Unterschied kennst!«
»Ich kenne den Unterschied, verdammt noch mal!«
»Bei Colette gibt es eigentlich auch kein Vertun. Sie ist 26, ziemlich hübsch, blonde Haare.«
»Es war ein Mann, Claude.«
»Hast du sein Gesicht gesehen?«
»Nicht deutlich. Aber er war klein und stämmig.«
»Colette ist eins siebzig groß und sehr schlank.«
»Sie war es nicht.«
Daumier schwieg ein paar Sekunden. »Das ist merkwürdig«, erwiderte er dann. »Wenn es keiner von uns war …«
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Plötzlich sprintete Richard zur Tür. Es hatte geklopft. Beryl stand wie versteinert da. Verängstigt schaute sie ihn an.
»Ich ruf dich wieder an, Claude«, flüsterte Richard ins Telefon. Leise legte er auf.
Es klopfte wieder, diesmal etwas lauter.
»Los«, sagte er, »frag, wer da ist.«
Mit zitternder Stimme rief sie: »Wer ist da?«
»Bist du angezogen?« ertönte die Antwort. »Oder soll ich morgen früh wieder kommen?«
»Jordan!« rief Beryl erleichtert. Sie rannte zur Tür und öffnete.
»Wo warst du?«
Ihr Bruder schlenderte herein, sein blondes Haar war vom Nachtwind zersaust. Er sah Richard und blieb stehen.
»Entschuldigung. Wenn ich bei irgendwas störe …«
»Du störst nicht!« fuhr Beryl dazwischen. Sie schloss die Tür ab und sah ihren Bruder an. »Wir waren ganz krank vor Sorge.«
»Ich war nur spazieren!«
»Du hättest mir einen Zettel schreiben können!«
»Warum? Ich war nur um die Ecke.« Jordan ließ sich in einen Sessel fallen. »Ich hatte einen recht netten Abend, jedenfalls bis ich bemerkte, dass mich eine Frau verfolgte.«
Richard sah ihn überrascht an. »Eine Frau?«
»Sah ziemlich gut aus. Aber leider nicht wirklich mein Typ.
Ein bisschen zu vampirmäßig für meinen Geschmack.«
»War sie blond?« fragte Richard. »Ungefähr eins siebzig?
Mitte zwanzig?«
Jordan schüttelte verwundert den Kopf. »Und gleich sagen Sie mir Ihren Namen.«
»Colette.«
»Ist das ein
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