Verrat in Paris
nicht ehrlich zu ihr gewesen war.
Ich habe keine Lust mehr auf Geheimnisse, will keine Halbwahrheiten und Wahrheiten mehr auseinander klamüsern.
Und bei diesem Mann weiß man nie, was was ist.
Sie ging unvermittelt zur Tür. »Wenn wir nicht ehrlich zueinander sein können«, sagte sie, »brauchen wir gar nicht zusammen zu sein. Wir sollten gute Nacht sagen und auf 67
Wiedersehen.«
»Das glaube ich nicht.«
Sie drehte sich um und sah ihn missbilligend an. »Wie bitte?«
»Ich will mich nicht verabschieden. Erst recht nicht, seit ich weiß, dass du verfolgt wirst.«
»Es geht dir also nur um meine Unversehrtheit?«
»Wäre das so schlimm?«
Sie lächelte ihn kühl an. »Ich kann sehr gut selbst auf mich aufpassen.«
»Du bist hier in einer fremden Stadt. Hier können Dinge geschehen …«
»Ich bin nicht gerade allein hier.« Sie ging quer durchs Zimmer und blieb vor der Verbindungstür zu Jordans Zimmer stehen. Sie riss sie auf und rief: »Wach auf, Jordie! Ich brauche deine brüderliche Hilfe!«
Aus seinem Bett kam keine Reaktion.
»Jordie?« sagte sie.
»Dein Bodyguard ist ja voll auf Zack«, spottete Richard.
Verärgert schaltete Beryl das Licht ein. Von der plötzlichen Helligkeit geblendet, sah sie erstaunt auf Jordans Bett.
Es war leer.
68
4. Kapitel
Diese Frau sieht mich schon wieder so an. Jordan schüttete etwas Zucker in seinen Cappuccino, rührte um und schaute zu der blonden Frau hinüber, die drei Tische weiter saß. Sofort wandte sie den Blick ab. Sie war eigentlich ganz attraktiv, dachte er. Mitte zwanzig, gute Figur, durchtrainiert, knackig. Ihr Haar war kurz geschnitten, ein paar Strähnchen fielen ihr in die Stirn. Sie trug einen schwarzen Pullover, einen schwarzen Rock und eine schwarze Strumpfhose. Mode oder Tarnung? Er blickte nach draußen auf die abendlichen Spaziergänger, die die Straße entlang flanierten. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass die Frau ihn schon wieder anstarrte. Normalerweise würde er sich geschmeichelt fühlen, wenn ihn eine Frau so intensiv ansähe.
Aber irgendwas stimmte mit dieser Dame nicht, das spürte er.
Konnte man heutzutage nicht mal als Mann allein durch Paris streifen, ohne gleich von gierigen Frauen verfolgt zu werden?
Bisher war alles gut gelaufen. Nachdem Beryl und Richard weggegangen waren, hatte er das Hotelzimmer auf der Suche nach einer netten Kneipe verlassen. Er spazierte über den Place Vendôme, schaute in der Olympia Music Hall vorbei, nahm einen Mitternachtssnack im Café de la Paix – das war doch ein guter erster Abend in Paris!
Aber vielleicht sollte er langsam zu Bett gehen.
Er trank seinen Cappuccino aus, bezahlte und ging in Richtung Rue de la Paix. Nach einem halben Block bemerkte er, dass die Frau in Schwarz ihm folgte.
Er war vor einem Schaufenster stehen geblieben und sah sich Herrenanzüge an, als sich im Schaufenster ein blonder Haarschopf spiegelte. Er drehte sich um und sah sie auf der anderen Straßenseite. Auch sie betrachtete höchst interessiert eine Schaufensterauslage – die eines Wäschegeschäfts, wie er 69
feststellte. Nach ihrem gesamten Outfit zu schließen, trug sie wahrscheinlich auch schwarze Unterwäsche.
Jordan setzte seinen Weg fort.
Auf der anderen Straßenseite folgte ihm die Frau.
Wie blöd, dachte er. Wenn sie flirten will, soll sie herkommen und mich ansprechen. Mit einer direkten Anmache könnte er umgehen. So was war ehrlich, und ehrliche Frauen mochte er.
Aber dieses Versteckspiel nervte ihn.
Er ging einen halben Block weiter. Sie auch.
Er blieb stehen und tat so, als würde erneut ein Schaufenster seine volle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie tat es ihm gleich. Das ist doch lächerlich, befand er. Ich habe jetzt von diesem Quatsch die Nase voll.
Er ging über die Straße und direkt auf sie zu.
»Mademoiselle?« sagte er.
Sie drehte sich um und sah ihn überrascht an. Offensichtlich hatte sie damit nicht gerechnet.
»Mademoiselle«, wiederholte er. »Darf ich fragen, warum Sie mir folgen?«
Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder und starrte ihn mit ihren großen grauen Augen an. Mit ziemlich hübschen Augen, wie er fand.
»Vielleicht verstehen Sie mich nicht? Parlez-vous anglais? «
»Ja«, murmelte sie. »Ich spreche Englisch.«
»Dann können Sie mir sicher verraten, warum Sie mich verfolgen.«
»Ich verfolge Sie nicht.«
»Doch, das tun Sie.«
»Das stimmt nicht!« Sie blickte die Straße rauf und runter.
»Ich gehe spazieren. So wie Sie.«
»Sie folgen
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