Verrat in Paris
Moment. »Ich habe nur langsam Halluzinationen.«
Jordan drehte sich um und schaute durch die Rückscheibe. Er sah nichts außer der endlosen Autoschlange, die sich den Boulevard entlangschob. Er betrachtete erneut Colette. »Was macht eine hübsche Frau wie Sie beim Geheimdienst?«
Sie lächelte – das erste richtige Lächeln, wie er bemerkte. Die Sonne ging auf. »Ich verdiene mir meine Brötchen.«
»Lernt man da interessante Leute kennen?«
»Geht so.«
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»Und der Liebesfaktor?«
»Ist leider nicht sehr hoch.«
»Wie schade. Vielleicht sollten Sie sich eine andere Arbeit suchen.«
»Zum Beispiel?«
»Das könnten wir beim Abendessen besprechen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist nicht gestattet, sich mit einem Objekt anzufreunden.«
»Ach, das bin ich also«, sagte er seufzend. »Ein Objekt.«
In einer Seitenstraße in der Nähe vom Ritz ließ sie ihn aussteigen. Als er schon draußen war, drehte er sich noch mal um und bat sie: »Kommen Sie wenigstens mit auf einen Drink.«
»Ich bin im Dienst.«
»Aber es ist doch langweilig, den ganzen Tag nur im Auto zu hocken und darauf zu warten, dass ich wieder etwas
Unberechenbares anstelle.«
»Danke, aber nein danke.« Sie lächelte – ein charmantes Lausbubenlächeln, das nicht alles ausschloss.
Jordan gab sich vorerst geschlagen und ging ins Hotel.
Oben angekommen, lief er eine Weile im Zimmer auf und ab und dachte über das nach, was er gerade im Café Hugo erfahren hatte. Dieser Anruf von Madeline – er passte nicht ins Bild.
Warum sollte sie sich mit Bernard ausgerechnet am Pigalle treffen? Mit der Mord-Selbstmord-Theorie ließ sich das jedenfalls kaum vereinbaren. Ob der Kellner gelogen hatte?
Oder vielleicht hatte er es einfach falsch verstanden. Wie konnte er bei dem Straßenlärm sicher sein, dass es sich bei der Anruferin um Madeline Tavistock gehandelt hatte?
Ich muss zurück in dieses Café und Mario fragen, ob es die Stimme einer Engländerin war.
Also verließ er das Hotel erneut und trat nach draußen ins 91
helle Mittagslicht. Vor dem Haupteingang stand ein Taxi, aber der Fahrer war nirgends zu sehen. Vielleicht parkte Colette ja noch um die Ecke; dann könnte er sie bitten, ihn zurück zum Boulevard Saint-Germain zu fahren. Er bog in die Seitenstraße ein und sah den blauen Peugeot noch an derselben Stelle stehen.
Colette saß drin; durch die verdunkelte Windschutzscheibe konnte er ihre Silhouette hinter dem Steuer ausmachen.
Er ging zum Auto und klopfte an die Scheibe. »Colette?« rief er. »Können Sie mich noch mal mitnehmen?«
Sie antwortete nicht.
Jordan öffnete die Tür und schwang sich auf den Beifahrersitz.
»Colette?«
Sie saß ganz still, ihre Augen starrten geradeaus. Einen Moment lang begriff er nichts. Dann sah er die dünne Blutspur, die von ihrem Haaransatz bis zum schwarzen
Rollkragenpullover verlief. Voller Panik rüttelte er an ihrer Schulter. » Colette? «
Ihr Körper geriet ins Rutschen und fiel ihm auf den Schoß.
Er starrte ihren Kopf an, der jetzt in seinen Armen lag. An ihrer Schläfe war ein einziges kleines Einschussloch.
Er erinnerte sich nicht, wie er aus dem Wagen kam. Aber er erinnerte sich, dass eine Passantin anfing zu schreien. Dann sah er die schockierten Gesichter der Menschen, die der Schrei angelockt hatte. Sie deuteten auf den Frauenarm, der schlaff aus dem Fahrzeug hing. Und sie blickten ihn fassungslos an.
Wie betäubt sah Jordan auf seine Hände.
Sie waren voller Blut.
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5. Kapitel
Aus der Menge der Passanten, die an der Ecke
zusammengekommen waren, beobachtete Amiel Foch, wie dem Engländer Handschellen angelegt wurden und er von der Polizei abgeführt wurde. Das war nicht so vorgesehen, dachte er. Er hatte nicht im Traum daran gedacht, dass so etwas passieren könnte.
Aber er hätte sich auch nicht vorstellen können, dass er Colette LaFarge noch einmal sehen würde. Oder noch schlimmer, von ihr gesehen würde. Sie hatten nur einmal zusammengearbeitet, und das war vor drei Jahren auf Zypern. Er hatte gehofft, dass sie ihn nicht erkennen würde, als er mit gesenktem Kopf an ihrem Wagen vorüberging. Aber als er gerade an ihr vorbei war, hörte er sie erstaunt seinen Namen rufen.
Ich hatte keine andere Wahl, dachte er, als er zusah, wie die Sanitäter ihren leblosen Körper in einen Krankenwagen hoben.
Beim französischen Geheimdienst glaubte man, er sei tot.
Colette hätte ihnen nun das Gegenteil erzählen können. Er musste es tun.
Es war nicht leicht für
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