Verrat und Verführung
Dazu hattest du kein Recht.“
Völlig unbeeindruckt von ihrer Empörung, schüttelte er den Kopf. „Da bin ich anderer Meinung. Verzeih mir, wenn ich dich geärgert habe, Christina. Aber da ich der Vater deines Kindes bin, stand mir sehr wohl das Recht zu, mit deinem Bruder darüber zu sprechen.“
An einer weiteren Diskussion wurden sie gehindert, weil Miranda beide in ein Gespräch verwickelte.
In kupplerischer Absicht hatte Celia beschlossen, Lord Rockley an der Dinnertafel direkt gegenüber von Christina zu platzieren. Er aß nicht viel – zu abgelenkt von der schönen, unnahbaren jungen Frau, die sein Herz gestohlen hatte. Entweder wagte sie es nicht, seinem Blick zu begegnen, oder sie wünschte es ganz einfach nicht. In wachsender Eifersucht beobachtete er, wie sie angeregt mit dem attraktiven Sir John Bainbridge plauderte und ihn offensichtlich um den Finger wickelte. Zu seinem Bedauern saß er zwischen Sir Johns Gemahlin und Miranda, die zwar bezaubernd aussah, aber ihr triviales Geschwätz langweilte und irritierte ihn maßlos.
Im weiteren Verlauf des Abends wurde Konversation gemacht und musiziert. Simon ärgerte sich, weil Christina es beharrlich vermied, allein mit ihm zu sprechen. Als sie allen Anwesenden eine gute Nacht wünschte und Kopfschmerzen vorschützte, folgte er ihr in die Eingangshalle.
„Was willst du, Simon?“
„Musst du schon jetzt gehen?“
Achselzuckend senkte sie den Kopf. „Ja, ich bin müde und habe Kopfweh.“
„Was stimmt nicht mit dir, Christina?“ Er trat näher zu ihr. „Den ganzen Abend bist du mir ausgewichen. Beunruhigt dich meine Gegenwart so sehr?“
Da hob sie ihr Kinn – nicht aggressiv. Doch sie straffte die Schultern. Es gab nichts, wofür sie sich schämen oder weshalb sie sich verteidigen müsste, während er sie absichtlich und zu Unrecht der schrecklichsten Dinge angeklagt hatte. Also musste er sich schämen und von Gewissensbissen geplagt werden. Seit seiner Ankunft in diesem Haus hatte sie stundenlang seinen Angriff auf ihre Sinne verkraftet. Sie fühlte sich, als wären ihr Herz und ihre Seele langsam und zielstrebig gefoltert worden. Trotzdem musste sie ihre ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um sich nicht zu erniedrigen und vor seine Füße zu sinken. Nur eins hinderte sie daran, ihr Stolz – ein zorniger, hartnäckiger, verletzter Stolz.
„Ja. Und da du keine Anstalten machst, dich zu verabschieden, muss ich mich zurückziehen. Bitte, entschuldige mich.“
Entschlossen folgte er ihr zur Treppe. „Geh noch nicht.“
Mit seiner sanften Stimme weckte er eine neue Sehnsucht. In aller Entschiedenheit wollte sie ihre Absicht bekunden, ihn zu verlassen. Doch die Worte kamen nicht über ihre Lippen. Sie wandte sich halb zu ihm, sah das Kerzenlicht, das sich in seinen silbergrauen Augen widerspiegelte – so bezwingend, so betörend. Warum mutete er ihr das zu? Wieso peinigte er sie dermaßen?
„Hättest du mir doch erklärt, welches Unrecht ich dir antat, Christina … Dein Bruder erzählte mir alles. Jetzt weiß ich, wie niederträchtig Buckley euch beide bedroht hat. Wärt ihr nicht auf seine Wünsche eingegangen, hätte er euch getötet. Seit ich in Oakbridge ankam, mit dem Auftrag, ihn aufzuspüren, hast du mich von seiner Fährte abgelenkt. Bei jeder Gelegenheit wurde ich von deinen Täuschungsmanövern behindert. Immer wieder fragte ich mich – warum? Jetzt ist mir alles klar. Mein Irrtum tut mir ehrlich leid, Christina. Niemals wollte ich dich verletzen. William erwähnte sogar, du wärst nahe daran gewesen, mich über Buckleys Aufenthalt zu informieren.“
„Ja, und was hätte mir das genützt?“
„Ich hätte dir zugehört.“
Fassungslos schaute sie ihn an. „Und das soll ich dir glauben, Simon? In der Höhle bist du über mich hergefallen, weil du mich für eine verruchte Frau hieltest, für Buckleys Geliebte. Deshalb dachtest du, ich würde die Annäherungsversuche aller Männer willkommen heißen. Aber meine Tugend war unversehrt – bis ich dir begegnet bin.“
„Das weiß ich. Hättest du mir gesagt …“
„Wenn ich mich recht entsinne, warst du nicht in der Stimmung, mich anzuhören.“
„Weil ich dich zusammen mit Buckley sah – und dann hast du mich daran gehindert, auf ihn zu schießen. Erst jetzt erkenne ich, wie falsch ich das alles beurteilt habe.“
„Völlig falsch. Offenbar neigst du dazu, die Dinge vorschnell einzuschätzen und jeden zu verdammen, der deinen Argwohn erregt.“
Simon seufzte tief
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