Verrat und Verführung
auf. „Als wir von unserem Besuch bei Mrs Simmons zurückkehrten – erinnerst du dich, wie ich dich um dein Vertrauen bat?“
„O ja. Und wie ich verstehen muss, geriet ich in Versuchung. Aber wie sollte ich wissen, ob ich dir vertrauen konnte? Und nach allem, was dann geschah – als du mich in der Höhle plötzlich allein gelassen hattest – da dachte ich natürlich, ich würde dir nichts bedeuten. Wie sollte ich dir da noch trauen?“
„Es tut mir so leid, Christina.“ Als sie sich abwandte, berührte er ihren Arm. „Bitte, bleib hier.“
„Nein“, widersprach sie, obwohl sie ihm anmerkte, wie schmerzlich sein Stolz unter dem Geständnis seiner Schuld litt. „Ich bin müde. Wenn du willst, geh wieder zu den anderen. Sicher würde William sich noch sehr gern mit dir unterhalten. Und Tante Celia ist offenbar ziemlich angetan von dir. Entschuldige mich, ich möchte nach oben gehen.“
Nur mühsam riss sie sich von dem Mann los, nach dem sie sich so sehr gesehnt hatte. Doch sie ertrug seine Nähe nicht länger.
Da er vor ihrer Familie eine unschöne Szene vermeiden wollte, versuchte er nicht mehr, sie zurückzuhalten. Doch das letzte Wort war noch nicht gesprochen. Den ganzen Abend hatte sie ihn wie einen Feind behandelt. In Zukunft würde er das nicht mehr dulden.
Als er sich umdrehte, sah er ihren Bruder in der Halle stehen.
„Tut mir leid, Simon.“ Enttäuscht beobachtete William, wie Christina die Stufen hinaufstieg. „Heute Abend ist sie nicht sie selber.“
„Das habe ich gemerkt. Stört es Euch, wenn ich ihr folge? Bevor ich das Haus verlasse, möchte ich noch einmal mit ihr reden.“
„Nun, wenn es sich auch nicht schickt … Aber so, wie die Dinge zwischen euch beiden stehen, und nachdem Ihr mir versprochen habt, meine Schwester zu heiraten, erhebe ich keine Einwände. Hoffentlich gelingt es Euch, Christina umzustimmen, und alles wendet sich zum Guten.“
Christina trug bereits ihr Nachthemd, als es an ihrer Tür klopfte. Erstaunt runzelte sie die Stirn. Wollte Tante Celia ihr eine gute Nacht wünschen?
„Wer ist da?“, rief sie.
„Simon“, lautete die Antwort.
Verblüfft starrte sie auf die Tür. War sie nicht hier herauf geflohen, um ihre Gefühle zu zügeln? Musste er ihr sogar zu ihrem Schlafzimmer folgen? Die Augen sekundenlang geschlossen, holte sie tief Atem und bekämpfte ihre Verzweiflung, ihre Sehnsucht.
„Bitte, geh weg!“
„Christina, ich muss mit dir sprechen.“
„Nicht in meinem Schafzimmer, das gehört sich nicht.“
„Angesichts gewisser Umstände ist es zu spät, um an Sitte und Anstand zu denken.“
Ärgerlich öffnete sie die Tür und starrte ihn an. „Da bin ich ganz deiner Meinung. Und daran bist nur du schuld.“
Simon nickte und schlenderte an ihr vorbei ins Zimmer, die personifizierte entspannte Eleganz. „Das bestreite ich nicht. Und weil ich so schreckliche Dinge zu dir sagte, würde ich mir am liebsten die Zunge abschneiden. Natürlich ist es dein gutes Recht, mir zu grollen.“
„Oh, das ist noch milde ausgedrückt“, erwiderte Christina und hielt die Tür auf. Seine Gelassenheit erzürnte sie. Und wenn er glaubte, nur weil sie mit ihm sprach, hätte er schon gewonnen, täuschte er sich ganz gewaltig. „Hättest du mir bloß vertraut! Wenn du mir die Gelegenheit geboten hättest, dir alles über Buckley zu erzählen, wäre dir klar geworden, dass mich nichts mit diesem Schurken verband. Stattdessen hast du in deiner regen Fantasie eine falsche Geschichte erfunden, die auf einem albernen Missverständnis beruhte. Das hätte ich ausgeräumt. Eine Minute hätte mir genügt, um alles klarzustellen. Doch du warst zu eigensinnig, um mir das zu gewähren. Du wolltest mir nicht zuhören, nanntest mich eine Hure. Und jetzt solltest du verschwinden! Es gibt keinen Grund, warum du noch länger hierbleiben solltest.“
„Doch. Den gibt es. Und du solltest vernünftig sein und begreifen, warum ich nicht gehen kann. Seit ich in Oakbridge mit deinem Bruder sprach, steht mein Entschluss fest – wir werden die nötigen Arrangements treffen.“
„Arrangements?“
„Für das Kind.“ Simon ging zu ihr, schob sie behutsam zur Seite und schloss die Tür. „Natürlich müssen wir heiraten.“
Christina schnappte nach Luft, ihr wurde heiß und kalt zugleich. „Verstehst du denn nicht, was ich gesagt habe?“, fuhr sie ihn an und wünschte, sie könnte in seine Augen schauen. Doch das wagte sie nicht, voller Angst, sie würde ihre Gefühle nicht
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