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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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Zehn riesige Lagerhallen standen in einer Reihe hintereinander. Über jedem der Halleneingänge hingen Breitstrahler, die das Gelände in ein bläuliches Licht tauchten, ähnlich wie das der Xenonscheinwerfer hochwertiger Autos. Die Lagerhallen standen von seiner Position aus betrachtet auf der rechten Seite des Geländes und dahinter ragte die Glaskonstruktion des eigentlichen Firmengebäudes auf. Auf der linken Seite standen dutzende Container und ein großer, gelber Gabelstapler, der offenbar zum Beladen der Container diente. Überall sah man Stapel von Holzpaletten. Als er das Tor erreichte, erkannte er auf der Seitenfläche eines der Container die Aufschrift Annas Theaterproduktionen.
    Er kletterte über den Maschendrahtzaun, der unter seinem Gewicht quietschend hin- und herschwankte, und ließ sich auf der andere Seite hinunterrutschen. Er duckte sich und wartete. Lauschte konzentriert. Er konzentrierte sich so stark, dass sein Gehör kilometerweit entfernte Geräusche registrierte. Fahrzeuglärm von der Autobahn her. Das hohe Kreischen einer Möwe. Es kostete ihn große Anstrengung, nur auf Laute in seiner direkten Umgebung zu achten. Schritte, Türen, die auf-oder zugingen. Aber er hörte nichts von alledem.
    Er wunderte sich darüber, dass keine Wachhunde auf dem Gelände frei herumliefen, und er fragte sich, ob er darüber froh sein sollte oder nicht. Hieß das, dass er umsonst hier war? Dass Programs4You nichts zu verbergen hatte? Doch er verwarf diesen Gedanken sofort wieder.
    Irgendetwas war hier nicht koscher. Die Polizei hatte wegen des Mordes an Paul nicht ermittelt, und das konnte nur eines bedeuten: Die Firma hatte etwas zu verbergen. Und was immer es war, es konnte keine Kleinigkeit sein.
    Programs4You hatte vierzig feste Mitarbeiter. Die konnten unmöglich alle zur Organisation gehören. Alice hatte jedenfalls von nichts gewusst. Und seltsamerweise vermutete er, dass auch Paul völlig ahnungslos gewesen war.
    Leute, die etwas zu verbergen hatten, waren ständig auf der Hut. Man sah es ihren Augen, ihrer ganzen Haltung an. Oft waren es subtile Hinweise, die die meisten übersahen. Doch wenn man wusste, worauf man achten musste, fiel es einem sofort auf. Wer in kriminelle Machenschaften verwickelt war, zum Beispiel einer Untergrundorganisation angehörte, betrank sich zum Beispiel nicht bis zur Besinnungslosigkeit auf seiner Yacht, ohne vorher sorgfältig abzuschließen und die Alarmanlage einzuschalten. Wenn ihn seine Menschenkenntnis nicht im Stich ließ, war Paul clean gewesen, und die Arbeitnehmer von Programs4You wussten von nichts. Jedenfalls die meisten.
    Also mussten die Spuren der beiden Brände verwischt worden sein, noch bevor die ersten Angestellten morgens erschienen waren. Man hatte im Eiltempo einen Plan ausgetüftelt, um Pauls Abwesenheit zu vertuschen. Und das alles in einer Nacht, ja sogar in nur wenigen Stunden. Das Ganze deutete auf eine ziemlich große, reibungslos funktionierende Organisation mit perfekt geölten Kommunikationswegen und einer Schar von Helfershelfern hin.
    Ihm war klar, dass er eigentlich heute Abend nach Venlo hätte fahren müssen, wenn er herausfinden wollte, wer ihm nach dem Leben trachtete. Aber seine Intuition hatte ihm gesagt, dass man die Antworten auf gewisse Fragen manchmal an Orten fand, die auf den ersten Blick unlogisch erschienen. Der Verdacht, den die Produktionsfirma in ihm geweckt hatte, hatte ihn in den letzten Tagen nicht mehr losgelassen. Es interessierte ihn brennend, was dort vor sich ging. Der Mercedes, der in der Brandnacht an ihm vorbeigefahren war, hatte stark einem Fahrzeug geähnelt, das er schon einmal gesehen hatte, an einem ganz anderen Ort. In einem weit entfernten Landesteil. In Rotterdam. Er konnte sich natürlich irren, aber er irrte sich selten. Deshalb wollte er sich die Sache einmal näher ansehen.
    Geduckt lief er am Zaun entlang zum ersten Container, schlich darum herum und spähte um die Ecke. Die Vorderfront des Containers lag in dem hellen, bläulichen Licht der Breitstrahler. Er hörte ein Geräusch, aber es war nur das Flattern einer Abdeckplane irgendwo weiter entfernt auf dem Gelände, das immer noch verlassen wirkte.
    Er schlich ein paar Schritte weiter und schaute sich das Schloss des Containers genauer an. Es war ein dickes Hängeschloss, neu und massiv. Er huschte zurück in den schützenden Schatten neben dem Container, streifte seinen Rucksack ab und zog einen dünnen Draht aus der Vordertasche. Zehn

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