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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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nicht verdenken.
    Sie setzten sich in den Wintergarten mit den blauen Lloyd-Loom-Fauteuils, von wo aus sie einen wunderbaren Blick über den Gooisee und die darüber hinwegziehenden Wolken hatten. Es war ein ziemlich warmer Spätsommertag. Paul saß ihr gegenüber und trommelte mit den Fingern auf der gläsernen Tischplatte herum. Man hatte den Eindruck, dass ihm die Leute in seiner Umgebung stets zu langsam waren. Als müsse er mühsam seine Ungeduld mit ihnen beherrschen.
    Ein Ober erschien.
    »Ein kühles Glas Weißwein?«, fragte Paul. »Passend zum Wetter?«
    Sie zögerte einen Moment. Sie wollte lieber klar im Kopf bleiben.
    »Na gut, eins.«
    Er rang sich nicht die minimale Portion Höflichkeit ab, den wartenden Ober bei der Bestellung anzuschauen.
    »Schön«, sagte er und streckte seine langen Beine unter dem Tisch aus, sodass sie ihre einziehen und unter dem Stuhl verschränken musste. »So lässt sich’s leben. Sollen sich andere abrackern.«
    Sie nickte lächelnd. Fühlte sich unbehaglich unter seinen Blicken. Trotz seines Alters - er war Mitte vierzig - erinnerte er unwillkürlich an einen typischen Verbindungsstudenten. Nicht nur wegen des etwas zu artigen Mittelscheitels in seinem braunen Haar, sondern hauptsächlich wegen seiner Art sich zu kleiden: dunkelblauer Maßanzug mit hellblauem Oberhemd und Krawatte, Letztere stets in einer Primärfarbe, um das Klischee perfekt zu machen. Dass er nicht mit Bafög auskommen musste, zeigte sich in seinen persönlichen Accessoires: goldene Manschettenknöpfe, Waterman-Füllhalter - jede Kleinigkeit stammte von einer bekannten Traditionsmarke.
    Ein Ober brachte ihnen einen Martini und den Weißwein und wich anschließend formvollendet für den Restaurantinhaber beiseite, der mit ihnen die Spezialitäten des Tages durchsprach. Paul hörte den Mann an. Schaute der Form halber drei Sekunden lang in die Speisekarte, klappte sie zu und wandte sich an Alice.
    »Du siehst aus, als würdest du Lachs mögen. Richtig geraten?«
    Sie nickte.
    »Gut.« Er klopfte dem Restaurantbesitzer vertraulich auf den Arm. »Zweimal Lachs, Joost. Mach uns was Schönes zurecht.«
    Der Mann verschwand geräuschlos.
    »Du arbeitest schon seit sechs Jahren für mich, stimmt’s?«, fragte er.
    »Seit fünf Jahren«, erwiderte sie.
    Um ihre Unsicherheit zu überspielen, holte sie ihre Dunhills aus der Handtasche, nahm eine Zigarette aus dem dunkelroten Päckchen und zündete sie an. Fasziniert starrte er auf den Filter zwischen ihren Lippen.
    »Fünf Jahre … Und ich weiß so gut wie nichts von dir.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ach, da gibt es nicht besonders viel zu erzählen.«
    »Komm schon. Ich möchte wirklich gerne mehr über dich erfahren.«
    »Was willst du denn wissen?«
    »Warum hast du bei Programs4You angefangen? Du scheinst mir ein bisschen …«, er suchte kurz nach dem richtigen Wort, »… überqualifiziert für den Job, den du bei uns erledigst. Redaktionsassistentin …«
    »Willst du eine ehrliche Antwort?«
    »Ja, bitte. Die meisten Leute schleichen mir zu viel um den heißen Brei herum. Besonders in unserer Branche. Nur raus mit der Sprache.«
    »Ich wollte einfach einen Fuß in die Tür bekommen. Mein eigentliches Ziel es ist, zu moderieren. Daraus habe ich nie einen Hehl gemacht.«
    »Das ist aber gar nicht so einfach.«
    »Weiß ich«, sagte sie. Und dachte dabei an die Moderatorinnen, mit denen sie täglich bei Programs4You zu tun hatte. Sie waren, bis auf wenige Ausnahmen, dumm und hohl und ihre Hauptsorge galt ihrem Make-up und ihrer Frisur. Was die konnten, konnte sie schon lange. Und zwar besser.
    »Bei Dreams4You wird es häufig Außendrehs geben«, fuhr er fort. »Wie es aussieht, hauptsächlich im Ausland. Es wird also kein regelmäßiger Nine-to-five-Job sein, sondern man muss auch an den Wochenenden ran, abends und manchmal sogar nachts.«
    Sein Unterton entging ihr ebenso wenig wie sein Blick. Sie trank einen Schluck von ihrem Wein und versuchte krampfhaft, das Zittern ihrer Hand zu unterdrücken. Es gelang ihr nur ansatzweise.
    »Ich will damit nicht sagen, dass ich dir das nicht zutraue«, fuhr er fort. »Ich frage mich nur, wie dein Mann darauf reagieren wird. Und eventuelle Beziehungsprobleme könnten sich auf die Qualität deiner Moderation auswirken.«
    Touché. Das war ihr schwacher Punkt.
    Sil wäre niemals damit einverstanden. Er würde schäumen vor Wut und versuchen, sie an ihren Plänen zu hindern. Aber sie würde sich durchsetzen. Er

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