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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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gestresster Körper langsam, aber sicher zur Ruhe kam. Die Gehetztheit und die Nervosität legten sich. Und er dachte an Alice.
    Er hätte nicht sagen können, wie lange er dort gesessen hatte. Es hätten zehn Minuten gewesen sein können, genauso gut aber auch dreißig. Oder mehr. Auf einmal nahm er von draußen Geräusche wahr.
    Er hörte Schritte. Sie näherten sich der Kirche. Ruhige Schritte, ohne Eile. Er registrierte ein metallisches Klicken, das leise Schaben von Metall über Metall, das er nur allzu gut kannte und das so gar nicht zu dieser Umgebung passte. Seine Nackenhaare sträubten sich, und er war auf einmal hellwach.
    Eine innere Stimme sagte ihm, dass er in der Klemme saß. Und zwar bis zum Hals.
    Instinktiv duckte er sich hinter die Bank und legte unter seiner Jacke die Hand auf die HK. Lauschte. Nichts. Stille. Langsam richtete er sich auf. Er schaute hinüber zu der Stelle, an der er das Geräusch lokalisiert hatte. Die Kirchentüren standen sperrangelweit offen und von draußen fiel helles Licht herein. Er stand ganz auf. Im nächsten Augenblick bohrte ihm jemand einen harten Gegenstand in die Rippen. Gleichzeitig tauchte aus dem Halbdunkel ein Kerl vor ihm auf. Kam langsam auf ihn zu. Zielte mit einer schwarzen Pistole auf ihn. Der Druck auf seinen Rücken verringerte sich nicht. Zwei Männer. Seine Hand lag noch immer auf der HK, aber ihm war klar, dass er sie nicht schnell genug würde ziehen können.
    Sein rasender Herzschlag jagte ihm das Blut in hohem Tempo durch die Adern.
    Sie konnten ihn hier unmöglich gefunden haben.
    Das konnte einfach nicht sein!
    Der Mann blieb etwa zwei Meter vor ihm stehen. Er war ungefähr zehn Zentimeter kleiner als er selbst und drahtig gebaut. Er hatte ein hartes, ausdrucksloses Gesicht. Lichtes Haar. Sein Alter konnte er schlecht schätzen. Grüne Augen starrten ihn kalt an. Sil stand da wie angewurzelt und hielt den Atem an.
    »Where is the money?«, fragte der Mann. Er sprach Englisch mit einem slawischen Akzent. Sil schaute den Mann unbewegt an. Sagte kein Wort. Er versuchte nachzudenken, herauszufinden, mit wem er es zu tun hatte. Sein Gehirn versagte ihm den Dienst. Er stand einfach nur da, wie gelähmt vor Angst.
    Dann schoss ein flammender Schmerz durch seinen unteren Rücken. Nach Luft schnappend fiel er um und knallte mit dem Gesicht unsanft gegen die Holzlehne der Kirchenbank.
    Der Mann hinter ihm hatte ihm einen empfindlichen Schlag in die Nieren versetzt.
    » The money!«, wiederholte der Mann.
    Er lag da und rang nach Luft. Verbiss sich die Schmerzen. Hier könnte alles enden, ging es ihm durch den Kopf, in einer Kapelle in Frankreich. An dem Ort, an dem er es zuletzt erwartet hätte.
    Aber war das nicht immer so?
    »Steh auf«, hörte er den Mann sagen.
    Er zog sich an der Kirchenbank hoch und kam schwankend wieder auf die Beine. Seltsamerweise verspürte er noch keine Schmerzen im Gesicht, nur ein Taubheitsgefühl, aber der metallische Geschmack in seinem Mund sprach Bände. Langsam hob er den Kopf. Blinzelte. Seine Sinne schienen ein makaberes Spiel mit ihm zu spielen. Vor ihm standen zwei Männer. Er schaute von einem zum anderen. Entweder sie waren eineiige Zwillingsbrüder oder Repräsentanten eines aus dem Ruder gelaufenen Genversuchs. Sie sahen aus wie Kopien voneinander. Nur durch ihre Kleidung unterschieden sie sich. Der eine trug ein beigefarbenes Oberhemd und eine Jeans, der andere eine schwarze Hose und ein blau kariertes Hemd. Beide hielten eine Waffe auf ihn gerichtet und schauten ihn mit demselben Gesichtsausdruck an. Emotionslos. Entschlossen.
    »How much?«, hörte er sich selbst fragen. Wie schnell konnte eine Lippe anschwellen? War das überhaupt seine Lippe?
    Die Männer schnauften verächtlich. Schauten ihn an, als sei er aus der Kanalisation gekrochen.
    »You know«, sagte einer von ihnen mit mühsam gezügelter Ungeduld.
    »Nein«, erwiderte er. »Woher soll ich das wissen? Wie viel wollt ihr?«
    »Hundertzwanzigtausend«, sagte der Mann mit dem karierten Hemd.
    Sil rechnete rasch im Kopf nach. Rotterdam hatte dreißigtausend gebracht, ein Jahr zuvor hatte er bei demselben Verein neunzigtausend erbeutet.
    Russen.
    Es waren die Russen.
    Fieberhaft schaute er von einem zum anderen. Er hätte ihnen das Geld einfach aushändigen können. Das war nicht das Problem. Er hatte noch keinen Euro davon ausgegeben. Aber damit wäre es nicht getan. Die beiden Typen würden ihm nicht zum Abschied freundlich zuwinken, wenn sie das Geld

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