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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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einmal hatten. Er erkannte es an dem Blick in ihren Augen. Sie hatten den Auftrag, das Geld zu holen und seine Leiche irgendwo loszuwerden. Aus ihrer ganzen Haltung sprach, dass sie das keineswegs zum ersten Mal taten. Sie waren Profis.
    Er musste versuchen, Zeit zu gewinnen.
    »Woher wusstet ihr, wo ich bin?«, fragte er auf Englisch.
    Der Mann mit dem beigefarbenen Oberhemd hielt die Hand vor den Mund, als müsse er gähnen. Der andere streckte den Arm aus und zielte auf Sils Unterleib.
    »Wir wollen wissen, was du mit dem Geld gemacht hast«, sagte der Mann im blauen Hemd leise, mit einem drohenden Unterton.
    Zeit gewinnen!
    »Es ist in den Niederlanden«, antwortete er schnell. »Nicht hier.«
    »Wo?«
    »In einem Schließfach, einem Privatschließfach bei der Bank. Wenn ihr mich abknallt, kommt ihr nie ran.«
    Sie schwiegen. Starrten ihn durchdringend an. Die Blicke der beiden Männer trafen sich für einen Augenblick. Für den Bruchteil einer Sekunde.
    »Du lügst!«, blaffte der Mann mit dem karierten Hemd.
    Sil schüttelte den Kopf. Versuchte, nicht an die Tasche mit den Banknoten in Port Grimaud zu denken. Sie würden es an seinen Augen ablesen.
    »Nein«, erwiderte er. »Ich lüge nicht. Wenn ihr das Geld wollt, müssen wir in die Niederlande. Nach Utrecht.«
    Wieder verständigten sich die Brüder mit einem kurzen Blick.
    Der Mann mit dem karierten Hemd wies schließlich mit einem Nicken zur Tür. Der andere trat einen Schritt beiseite. Die Botschaft war nicht misszuverstehen.
    Langsam ging er vor ihnen her nach draußen. Der Himmel war leicht bewölkt. Er spürte das Gewicht seiner HK unter der Jacke. Sie hatten ihn nicht durchsucht. Waren sich wahrscheinlich ihrer Sache so sicher, dass sie es nicht für nötig hielten. Das war ein Fehler gewesen. Er würde jede noch so kleine Chance unverzüglich nutzen.
    Sie liefen die lange Treppe hinunter. Der Abstieg war weniger anstrengend als der Aufstieg, aber dennoch nicht ohne für Leute mit nur durchschnittlicher Kondition. Die Russen hielten jedoch mühelos mit ihm Schritt. Blieben ihm dicht auf den Fersen, wie rasch er die Stufen auch nahm. Er blickte sich links und rechts um, heimlich, aus den Augenwinkeln heraus. Suchte einen Ausweg. Eine Fluchtmöglichkeit. Konzentrierte sich auf die Geräusche hinter ihm. Versuchte einzuschätzen, wo sich die Brüder befanden und wie weit sie voneinander entfernt waren. Heimlich taxierte er die jahrhundertealte Mauer, die wie eine Art Geländer neben der Treppe entlangführte.
    Die Mauer war etwa einen Meter hoch, und dahinter lag der felsige Berghang, an den das Dorf ein paar Hundert Meter tiefer gebaut war. Von der Treppe aus konnte er nicht erkennen, wie steil der Hang auf dem ersten Stück war. Weiter unten standen Sträucher und Bäume. Er schätzte den Abstand bis dorthin. Im nächsten Moment hechtete er über die Mauer hinweg, den Rücken zu einem Buckel gekrümmt wie eine Katze. In einem Reflex zog er die Knie an, presste das Kinn auf die Brust und hielt die Arme vor das Gesicht. Er fiel ein paar Meter tief und schlug auf hartem, mit losen Steinen bedecktem Untergrund auf. Er geriet sofort ins Rutschen und rollte weiter den Hang hinunter, prallte von dem unnachgiebigen Boden ab und kam erneut hart auf. Weiter und weiter rollte er in die Tiefe. Die Umgebung verschwamm zu einem grauen Wirbelsturm. Dann spürte er Widerstand. Zweige. Blätter.
    Er rollte nicht mehr weiter. Er öffnete die Augen und stellte fest, dass er auf dem Rücken lag, in einem großen Strauch, der seinen Fall gebremst hatte. Ihm war schwindelig, und sein Mund fühlte sich trocken wie Sandpapier an. Seine erste Reaktion war, flüchten zu wollen. Aufstehen. Weg hier. Blind kroch er weiter, in den Schutz eines alten Olivenbaumes. Öffnete den Reißverschluss seiner Jacke und zog die HK aus dem Holster. Schwankend stand er auf und lehnte sich schwer gegen den Baumstamm. Schaute vorsichtig in die Richtung, aus der er gekommen war. Er war weiter heruntergerollt, als er gedacht hatte. Er sah nichts als den Berghang und musste fast vertikal hinaufschauen, um die Mauer erkennen zu können, über die er eben gesprungen war. Sie standen nicht mehr dort.
    Sie konnten inzwischen überall sein.
    Er versuchte sich zu erinnern, ob er einen Schuss gehört hatte. Er glaubte nicht, war sich aber nicht sicher. Daraus schöpfte er neue Hoffnung. Diese Jungs waren Profis. Auftragskiller. Sie wussten, dass es auf diese Distanz keinen Sinn hatte zu schießen, nur um

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