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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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Lasagne schmeckte gut, und er bestellte noch ein Bier. Er war überhaupt nicht müde, die Atmosphäre gefiel ihm und vielleicht half ihm der Alkohol, auf andere Gedanken zu kommen. Wer hatte einmal zu ihm gesagt, die Antwort auf alle Fragen finde man am Boden der Flasche? Ein alter Schulfreund? Oder war das ein Songtext? Er wusste es nicht mehr.
    Unwillkürlich schweiften seine Gedanken zu Paul ab. Er hatte einen ganz normalen Mitbürger umgebracht. Ihn vorsätzlich ermordet. Allerdings aus gutem Grund. Natürlich, sagte er sich höhnisch, es gab immer einen Grund. Paul hätte seine dreckigen Pfoten von Alice lassen sollen. Dann würde er jetzt noch leben.
    Er hatte einmal von einem Fall gehört, bei dem ein Mann, der den Freund seiner Frau umgebracht hatte, freigesprochen worden war, weil das Gericht Verständnis für ihn hatte. Die Sache hatte sich in Belgien abgespielt, wo crimes passionels, Verbrechen aus Leidenschaft, manchmal durchaus noch unter den Teppich gekehrt wurden oder die Täter zumindest mit Strafminderung rechnen konnten. Soweit er wusste, funktionierte das in Frankreich genauso. Doch für ihn galt niederländisches Recht, und darin war kein Platz für mildernde Umstände. In den Niederlanden brauchte er nicht mit Verständnis für seine Tat zu rechnen. Im Gegenteil: Durch die Vorbereitungen, die er getroffen hatte, sowie die illegale Mordwaffe war es ganz eindeutig heimtückischer, vorsätzlicher Mord gewesen. Er würde ohne Federlesens ins Gefängnis wandern. Für fünfzehn, sechzehn Jahre. Vielleicht auch zwanzig. Man würde ihn einsperren. Er wusste jetzt schon, dass er das nicht ertragen könnte. Er würde verrückt werden. Sofern er das nicht ohnehin schon war.
    Er bestellte noch ein Bier und bemerkte, dass sich die Bar allmählich mit Gästen füllte, hauptsächlich Engländern, Amerikanern und einigen wenigen Deutschen.
    Die Serviererin, die er für eine Londonerin hielt, bat ihn höflich, an der Bar Platz zu nehmen. Mit seinem halb vollen Glas schlenderte er an die Theke und setzte sich auf einen Barhocker. Allmählich spürte er den Alkohol. Es war lange her, dass er in einer Kneipe gewesen war und sich hatte volllaufen lassen. Als ein benebelter Schotte den Arm um ihn legte und mit feuchter Aussprache schmutzige Witze zu erzählen begann, fiel ihm auf einmal wieder ein, warum das so lange her war. Gegen zehn Uhr ging er zurück zum Apartment und schlief erneut wie ein Stein.
    Am nächsten Tag begrüßten ihn die Piercing-Typen im Internetcafé wie einen alten Stammkunden. Fieberhaft durchsuchte er das Netz, aber noch immer fand er keinerlei Neuigkeiten über Paul Düring. Weder in den niederländischen noch in den französischen Zeitungen noch mithilfe der Suchmaschinen. Er dachte nach. Hier war etwas oberfaul.
    Pauls Leiche musste vor drei Tagen gefunden worden sein. Paul war keine Berühmtheit gewesen, aber dennoch zu bekannt, als dass ihn die Medien einfach so ignorieren würden. Merkwürdig. Ein Mord, der vertuscht wurde, deutete stets darauf hin, dass noch irgendetwas anderes damit zusammenhing, was nicht an die Öffentlichkeit dringen durfte, das war ein ehernes Gesetz. War Paul in irgendwelche illegalen Machenschaften verwickelt gewesen? Das konnte er sich eigentlich kaum vorstellen. Auf seine gute Menschenkenntnis hatte er sich sein Leben lang verlassen können. Paul war ein mieser Sack gewesen, aber ein Krimineller?
    Unwillkürlich fiel ihm der Mercedes wieder ein, der mitten in der Nacht auf ihn zugekommen war, als er sich von dem brennenden BMW und Programs4You entfernte. Jetzt, da die Nachrichten über Pauls Tod ausblieben, erschien ihm das Auto verdächtig. Vielleicht war Paul doch nicht so koscher gewesen, wie er stets blind geglaubt hatte. Doch er verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Schon die Idee war völlig absurd.
    Er bezahlte und kehrte zu seinem Auto zurück. Es herrschte wunderbar mildes, mediterranes Herbstwetter, so warm, dass man immer noch im T-Shirt herumlaufen konnte. Er war noch keine vier Schritte gegangen, als seine innere Alarmglocke schrillte. Ihn beschlich das Gefühl, dass ihn jemand beobachtete. Er ging weiter, ohne seine Schritte zu verlangsamen, und blieb dann abrupt stehen. Tat, als interessiere ihn ein Schaufenster, und beobachtete in der spiegelnden Scheibe die andere Straßenseite. Nichts, nur harmlose Touristen. Er schüttelte den Kopf.
    Ich werde paranoid.
    Niemand konnte wissen, dass er hier war.
    Er schwang sich hinter das Lenkrad des

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